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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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anderen. Er ließ den bernsteingelben Funken nicht aus den Augen, damit er sich nicht verirrte, denn hier war jeder falsche Schritt ein Schritt in den eigenen Tod. Doch nicht nur deshalb fiel ihm das Gehen in der Leere schwer. Er wusste, sein Körper blieb unbewegt an der Stelle, an der er ihn verlassen hatte: dem Heuboden der Taverne, an der er an diesem Abend gespielt hatte. Doch er entfernte sich von ihm. Es war schwer, dem Ruf des eigenen Leibs, die Seele möge wiederkommen, zu widerstehen. Der Wunsch, zurückzukehren, zerrte an ihm und drohte mitunter, die sanfte Melodie zu übertönen, die ihn zu der Magierin bringen sollte.
    Es dauerte länger, als er erwartet hatte, das gelbe Licht zu erreichen. Es war, als könnten die dunkelroten, gelben und purpurnen Töne die Seele, die er erreichen wollte, immer noch nicht richtig erfassen, als funktioniere sein Richtungssinn nicht so verlässlich, wie es sonst der Fall war.
    Er widerstand der Versuchung, in seinen Körper zurückzukehren, und wurde belohnt: Der Lichtfunken kam immer näher und nahm Gestalt an. Zuerst sah er aus wie eine kleine, gedrungene Flamme mit dunklem Kern. Doch Ronan war ein Seelenherr, er sah mehr als nur die Essenz der Wesen, die er suchte. Er sah sie als Abbild ihrer selbst, nicht nur als Sinnbild ihrer Magie.
    Die Flamme wurde schließlich zu einer jungen Frau. Einer Frau, die sich auf dem Boden zusammengekauert hatte und sich mit geschlossenen Augen an eine unsichtbare Wand lehnte. Die Gestalt war transparent, und doch war das Licht so intensiv, dass Ronan wenige Schritt vor ihr erstaunt innehielt und sie betrachtete. Sie trug eine helle Bluse, die an der Schulter zerrissen war, einen langen Rock und spitz zulaufende, abgetragene Pantoffeln.Die Haare waren notdürftig von einem darstan umschlungen. Sie schien ihn nicht zu bemerken.
    Wieder schloss er kurz die Augen und sang leise ein paar Worte. Dann hob er den Blick wieder. Nun war er in der Lage, auch die diesseitige, wirkliche Umgebung zu sehen, in der sich diese Seele befand.
    Zu seinem Erstaunen war es kein Kerker, sondern ein Gemach, wenn auch keines der größeren, in denen man Gäste untergebracht hätte. Es sah aus wie das eines entfernten Verwandten, mit dem man nicht gerne zu tun hatte.
    Ronan sah sofort, dass der Raum für Elben geschaffen worden war. Für die Frau, deren helle Gestalt auf die außergewöhnliche Kraft ihrer Dunkelmagie hindeutete, musste die Umgebung eine Qual sein.
    Sie kauerte an einem der beiden Fenster, die aus Maßwerk bestanden und durch die ein wenig vom silbrigen Licht der Ys hereinfiel. Sie hatte sich in eine Decke aus dunklem Filz gehüllt, doch da er sie nicht nur mit den Augen sah, entzog die Decke sie nicht seinem Blick. Sie rührte sich nicht. Unklar blieb, ob sie ihn nicht wahrnahm oder nur ignorierte. Eines jedenfalls wusste er sicher: Sie war nicht tot.
    Er setzte die Flöte ab. In dem Maß, in dem die Töne verhallten, erstarb auch der Strom der Funken, den die haqum in den Äther geschickt hatte.
    Erst jetzt hörte Ronan, dass er nicht der einzige Musikant war. Eine hohe, leere und tote Stimme hallte nicht nur durch das Gemach, die Melodie erreichte Ronan auch in der Jenseitigen Ödnis.
    Er wandte sich um. Er stand in den Schatten hinter einem breiten Bett, das einen Teil des Gemachs mit Beschlag belegte. Er befand sich halb in den Nebeln, und so war ihm nicht gestattet, sich ins Licht des Mondes zu begeben. Doch er war nicht allein hier.
    Eine düstere Form stand nicht weit von ihm entfernt in einer dunklen Wandnische. Sie leuchtete so dunkelblau, dass es beinahe violett wirkte. Und doch war nicht erkennbar, wer da vorihm stand. Die Form hielt sich nicht, verschwamm, löste sich auf, um sich an anderer Stelle aus Nebel wieder neu zu bilden. Nur die blauvioletten Funken in den tiefen Augenhöhlen leuchteten stetig. Es war der Geist eines Wesens, in dem die Gabe, den Seelen zu befehlen, verwässert war.
    So wie in dem Gefährten, den er selbst in Dasthuku getroffen hatte.
    Geh fort , sagte die Gestalt drohend. Die Stimme hallte und warf Echos, während sie zwischen den Welten hin und her wanderte. Geh fort! Dir ist nicht gestattet, hier zu sein. Ich verbiete es.
    Die Hände, die immer wieder zerfaserten, fuhren durch die Luft, als wollten sie einen Bann beschwören, der Ronan vertreiben sollte. Doch die Kraft prallte wirkungslos an ihm ab.
    Geh fort! , wiederholte das Gespenst bedrohlich. Niemand darf diese Menschenfrau sehen! Sie und ihre Macht

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