Dunkelmond
Landschaft, in der er sich bewegte, und sehnte sich jede Stunde nach den schattigen grünen Hochwäldern seiner Heimat im nördlichen Norad zurück. Pflanzen, so es sie gab, waren in der Savanne robust und widerstandsfähig, ihnen fehlte die Eleganz und Größe der Qentar- und Yondarbäume, aus denen der endlose Hochwald von Norad bestand.
Doch bisher hatten sie keine Spur der Tochter des Siwanon gefunden. Im Gegenteil, das Gefühl des Verlusts, das ihn bereits in der Stunde ihrer Flucht überfallen hatte, war in Telarion gewachsen. Immer glaubte er sie wie ein dunkles Feuer am Rand seines Bewusstseins zu spüren, als führe ein unsichtbares Band von ihm zu ihr, das nun schmerzhaft gedehnt wurde.
Es tat weh, und Telarion wusste nicht, warum. Vielleicht war es ihr Verrat. Er hatte geglaubt, sie endlich gefangen und besiegt zu haben. Sie hatte sich zuletzt nicht mehr gegen sein Netz aus Luft und Kälte, gegen ihn und seine Gabe, gewehrt – und doch war sie zusammen mit den beiden verräterischen Schmieden und dem Musikanten – wohl ebensolche Spione des Zaranthen wie sie – geflohen. Wieder hatte sie ihn getäuscht und ihn, den Heiler und Heermeister, dem sonst alles gelang, überlistet.
Doch da war noch etwas anderes. Sie war gegangen, und damithatte er etwas sehr Kostbares verloren. Ein Teil der Leere, die sie hinterlassen hatte, wurde durch die Landschaft gefüllt – er, der Kälte und Sturm in sich trug, konnte in der Regel Hitze schlecht ertragen; doch diesmal schien das anders. Dem dunkelgelben Kern, der seine inneren Wolken zum Leuchten brachte, führte die erdige und glühende Savanne Nahrung zu, die ihm nun willkommen war.
Und doch schien das nur ein kläglicher Ersatz für die Abende zu sein, an denen er diese Feuermagierin hatte kommen lassen, um sich ihre Magie zu unterwerfen.
Telarion und sein Trupp reisten hauptsächlich nachts und zur Stunde der Weißen Sonne und suchten sich dann Schutz unter einem Felsen oder Baum, bis die Rote Sonne hinter dem staubigen Horizont verschwunden war.
Der Heermeister konnte sich nicht erinnern, wie er und seine Leute in diesem Dorf angekommen waren, das die Bewohner Deri genannt hatten. Es schien, als habe er Jahre in diesem Landstrich verbracht, denn hier im Steppenland glich jeder Tag dem anderen: heiß, schmutzig, karg und voll blendendem Sonnenlicht, das an seiner elbischen Lebenskraft zehrte, die aus reiner, kalter Luft bestand. Immer wieder hatte er sich ins Kloster der Stürme zurückgewünscht und seinen Platz an der Seite seines Zwillings, des Königs, verflucht.
Doch es zog ihn weiter zu dem lodernden Feuer am Rand seines Bewusstseins, das die Leere in ihm füllen würde.
Deri war eine winzige Ansammlung von Hütten, die rasch abgebaut werden konnten, wenn die Herden der schulterhohen Keosotziegen kein Futter mehr fanden. Als er in Deri ankam, hatten ein paar seiner Leute einen Großteil der Dorfbewohner, hauptsächlich Frauen, Kinder und die Alten des Dorfes, bereits vor dem Tempel des Vanar zusammengetrieben, sodass er sie nach vier Flüchtlingen befragen konnte.
Viel versprach er sich nicht davon, doch er wollte sich später nicht vorwerfen, er habe es nicht versucht. Der Tempel selbstwar, wie die anderen vier, klein. Er bestand aus kaum mehr als einer runden Mauer grob behauener Steine und besaß, wie der kleine Tempel der Ys an der Nordseite, nur die Andeutung eines Daches. Doch er schien gut gepflegt, die Steine waren ordentlich aufeinandergestapelt, die Fugen hatte jemand mit Lehm ausgestrichen.
Während Telarion in das Dorf ritt, hatte er gegen seine Übelkeit ankämpfen müssen. Der Gestank der langhaarigen Keosotziegen war hier übermächtig. Es war staubig, überall lag Tierdung herum. Die Hütten waren einfache Gestelle aus biegsamen Stangen und Ästen, um die man gegerbte Häute der Keosots und Grasmatten gelegt hatte. Die Hitze und die Luft in den Hütten mussten schrecklich sein, doch inzwischen waren viele Bauten bereits von seinen Soldaten zerstört worden. Giftige Pflanzen, wie der Raqor, hatten sich ihrer bemächtigt, einige wenige sahen aus, als hätte ein gewaltiger Sturm sie umgeweht oder eine Flut sie zermalmt.
Er bemerkte den Kampf, der immer noch tobte. Sein Trupp hatte die Nomaden überraschen wollen, aber es sah aus, als hätten die Menschen von der Armee des Königs in der Nähe gewusst und seien deshalb auf der Hut gewesen. Sie kämpften mit allem, was sie hatten – Beile, Lanzen, Pfeil und Bogen – und wehrten
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