Dunkelmond
konzentrierte sich darauf, den Zorn zu verdrängen, der ihn zu überwältigen drohte. Doch Gomaran würde auch ohne Antwort verstehen, dass er hier kniete, um zu meditieren und die Ruhe und Kälte zu finden, die sein Inneres in der Regel beherrschten. Etwas, das ihm heute besonders schwerfiel.
Gomaran rief noch einmal leise nach ihm. Als Telarion wieder nicht antwortete, verklangen die Schritte seines Milchbruders im Gang, der vom Tempelraum des Vanar fortführte.
Erleichtert sog Telarion den Atem ein. Es war noch dunkel draußen, doch bald würde die Weiße Sonne aufgehen und ihre Strahlen in den östlichsten der vier Tempelräume des kastrons schicken. Bisher gab es keine Wolken, die die Sonne hätten verdecken können, also hoffte Telarion, dass er sich im klaren Morgenlicht von der Dunklen Magie, der er sich am vorigen Tag hatte aussetzen müssen, reinigen konnte. Die Sonne zeigte sich nicht lange allein am Himmel, aber vielleicht würde es ausreichen.
Er hatte heute den größten Teil der Nacht in der Abgeschiedenheit dieses Tempelraumes verbracht, um seine Magie von den Flecken des vorigen Tages zu reinigen, so, wie er es als Adept im Palast der Stürme gelernt hatte. Das ständige Zusammentreffen mit den Dunkelmagiern, das in diesem kastron unvermeidlich schien – immerhin hatte der König ihm die Hausgewalt übertragen –, hatte ihn erschöpft.
Doch noch schlimmer als die Heilung des Menschenkindes und der lange Besuch bei den Schmieden, die mit aus Kharisar gekommen waren, war der Besuch bei der Gefangenen verlaufen. Es war der erste Besuch des Königs gewesen, nachdem er in Bandothi eingetroffen war. Die Erzählungen seiner Königin hatten ihn neugierig gemacht. Dem Soldaten, den diese Feuermagierin angegriffen hatte, ging es immer noch schlecht. Telarion hatte bereits versucht, ihn zu heilen, doch es würde noch einiger Sitzungen bedürfen, um den Mann völlig von dem dunklen Feuer zu befreien, das seine Wassermagie nach wie vor zum Kochen brachte. Immer noch war der Mann schnell außer Atem, schwitzte stark und stellte einen Jähzorn zur Schau, der jedem Feuermagier zur Ehre gereicht hätte.
Das alles hatte Tarind in seinem Verlangen, die Feuerhexe persönlich zur Rede zu stellen und zu besiegen, nur noch bestärkt. Und doch hatte er allein nicht gehen wollen. Die Wassermagie in Tarind war ebenso stark wie die Kälte, die er beschwören konnte, und beides waren gute Waffen gegen das Feuer.
Telarion erinnerte sich genau, wie schrecklich die Wunde gewesen war, die das Feuer des Schmieds seinem Bruder im Wald von Dasthuku geschlagen hatte. Nur ein Funke, doch die Verletzung war schlimmer gewesen als der gebrochene Arm, den er nach dem Erdbeben geheilt hatte. Er hatte Tarind beschworen, zurückzubleiben und den Halbelben das Verhör der Gefangenen zu überlassen, die in Diensten des Königs standen und Magien des Akusu und des Vanar in sich vereinigten.
Doch nichts hatte Tarind davon abhalten können, selbst in den Trakt der Verliese zu gehen und sich der Dunkelmagierin zu stellen.
Telarion war nichts anderes übrig geblieben, als ihn zu begleiten, wenn er ihn mit der Kraft des Lebens schützen wollte – so sehr er diesen Bereich des kastrons auch verabscheute. Die Verliese waren Orte des Todes, und auch wenn er einsah, dass Tarind einen solchen Platz brauchte, um den Schöpfergeist des Chaos und die zerstörerischen Magien des Dunklen Mondes in Schach zu halten, hätte er es am liebsten gesehen, wären sie zugemauert worden. Als Heiler war er in der Lage, auf die Essenz aller Lebewesen zuzugreifen. Es war schwierig und mühevoll, sich in den Verliesen gegen die Qual der Lebenden wie auch der Toten, denen man den Übergang zu ihrem Schöpfer versagte, abzuschotten.
Doch er hatte es nicht über sich gebracht, seinen Bruder allein zu lassen. Er tröstete sich selbst damit, dass die Flamme des Goldmonds, die seit Wochen in der Zelle der Gefangenen brannte, die Macht dieser Hexe dämpfen würde. Zudem wären die Magier, die das Feuer beherrschten, dem König gegenüber loyal waren und ihn hätten begleiten können, höchstwahrscheinlich zu schwach gewesen, um sich gegen sie durchzusetzen.
Denn trotz der blaugrünen Flamme in ihrem Kerker war das Feuer in dieser Frau noch lebendig. Telarion war dem süßer Geruch nach Honig und den Blüten des Rekarapfels bereits auf dem Weg zu ihrer Zelle aufgefallen. Auch wenn er sich nicht hatte überwinden können, den schäbigen Kerker selbst zu betreten,
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