Dunkelmond
inden man sie gesperrt hatte, hatte er doch den Eindruck gehabt, es sei darin wärmer als im Rest des Ganges.
Nur Tarind war zu dieser Frau gegangen und hatte versucht, mit ihr zu sprechen, während Telarion am Eingang stehen geblieben war. Er hatte eine Verbindung zu seinem Bruder hergestellt, um mit seiner Kraft die Magien Tarinds zu stärken.
Telarion wusste nicht, wie lange er dort unten im übelriechenden Dunkel, das nur von wenigen Lampen erhellt wurde, ausgeharrt hatte. Er hatte sich nicht auf diese Schankdirne konzentriert, sondern auf seinen Bruder. Dennoch hatte auch Telarion versucht, die Kraft der Frau einzuschätzen. Und mit einer gewissen Furcht, aber auch Respekt, hatte er feststellen müssen, dass sie eine der stärksten Feuermagierinnen war, denen er je begegnet war. Und das, obwohl sie kein Zeichen ihres Schöpfers trug, an dem ein Kundiger dies hätte erkennen können.
Das war ungewöhnlich. Wenn ein Kind magische Kraft in einem Maße besaß wie diese Frau, wurde es, egal, ob Mensch oder Elb, von den Heiligtümern aufgenommen und ausgebildet, damit es seine Kraft beherrschen lernte, und erhielt es somit früher oder später auch das Zeichen seines Schöpfers.
Wie stark ihre Kraft war, hatte sich nicht nur in dem süßen Blütenduft gezeigt, der durch den Gang vor ihrem Verlies wehte, oder in der Wärme, die von ihr ausging. Sie hatte im Dunkeln gesessen, das nur von einer kleinen Flamme in der Mitte der Zelle erhellt wurde, zusammengekauert und so als habe sie – wie es normal gewesen wäre – resigniert. Doch kaum hatte sich die Tür geöffnet, war sie aufgestanden. Mit einem Stolz, den sie nicht hätte haben dürfen und der den Heermeister zornig machte.
Es gab keinen Grund für Dunkelmagier, stolz auf ihre Abstammung zu sein.
Er war also an der Tür stehen geblieben, während sein Bruder zu ihr gegangen war.
Es war nicht warm in dieser Zelle gewesen. Und doch war es auch nicht so kühl und feucht wie im Rest dieses Zellentraktes –wahrscheinlich hatte sie ihre Magie dazu benutzt, den Raum zu wärmen. Die Flamme des Vanar in der Mitte der Zelle war kleiner gewesen als üblich, obwohl sich Telarion bei den Wachen vergewissert hatte, dass sie täglich erneuert wurde.
Wieder musste Telarion an die Dirne denken, die sein Bruder sich im Wald von Dasthuku in sein Lager geholt hatte, an den Stolz und den Zorn, mit dem sie seine Freundlichkeit mit Füßen getreten hatte.
Wie diese Schankdirne.
Er hatte die Augen geschlossen, während sein Bruder mit ihr sprach und versuchte, nach ihrer Seele zu greifen. Es war nicht schwer, sie zu finden, ihre Flamme brannte heiß und hell genug. Er hatte erwartet, sie habe einen Schutz darumgelegt, doch den fand er nicht; vielleicht verließ sie sich darauf, dass ihre Kraft stark genug war. Aber heute war nicht der Tag, sich auf einen Kampf mit ihr einzulassen. Und doch, er, der Heiler der zweiten Ordnung, fand es schwer, sich der Kraft dieses Feuers zu erwehren. Auch jetzt, Stunden später, hatte Telarion trotz eines langen Bades in eisigem, reinem Wasser aus den Bergen das Gefühl, in schmierige, heiße Melasse gegriffen zu haben, die er nun nicht mehr abwaschen konnte. Und er wusste genau, das war erst der Anfang. Um ihre Essenz, das Feuer ihrer Seele, in den Dienst des Vanar zu zwingen, würde er sich noch viele Male mit ihr befassen müssen. Der Gedanke war entmutigend.
Telarion wünschte mit einem Mal glühend, es hätte einen Weg gegeben, sich von ihr fernzuhalten. Seine Gabe war es, den Winden und Stürmen zu befehlen und Seelen zu heilen. Nicht, sie zu zerstören. Und er wusste sehr wohl, das war es letztendlich, was mit dieser Magierin geschehen würde. Immerhin hatte sie ihre Kräfte von ihrem Schöpfer erhalten.
Als er daran dachte, wie oft er ihre Seele, ihr Feuer würde berühren müssen, bis er oder Tarind in die Lage versetzt würden, es zu beherrschen, wurde ihm übel. Vor seinem inneren Auge erschien ein grünlicher Luftwirbel, der von zähen, dunklen undwie vergilbt aussehenden Schlieren durchzogen und gebremst wurde.
Er unterdrückte ein Würgen und schloss die Augen.
Doch es war notwendig, das Netz zu weben. Die Dunkle Magie drückte gegen die Welt selbst, als dränge der Schöpfergeist des Chaos von der Leere aus gegen die Wände der Realität, um wieder das betreten zu können, was er einst erschaffen hatte. Telarion konnte es mit jeder Faser seines Körpers spüren. Das Land ächzte unter den Überflutungen, den Beben, den
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