Dunkelmond
Buschfeuern und den Stürmen, die darüber hinwegfegten.
Er war Heiler. Er konnte nicht zusehen, wie die Welt zerstört wurde und in Feuer und Tod versank und die Erde alles, was lebte, unter sich begrub. Die Welt musste von diesem Joch befreit werden, sodass Wasser und Luft fließen und die Lebewesen frei sein konnten. Und um das zu erreichen, musste Tarind die Möglichkeit bekommen, den Zaranthen, der das Heiligtum des Syth hütete, zu besiegen.
Wieder beugte sich Telarion mit ausgebreiteten Armen so weit vor, dass seine Stirn den kalten Marmor, auf dem er kniete, zwischen den Handflächen berührte. Die Kälte des Bodens drang in ihn und half, den vermeintlichen Luftwirbel – seine Seele – von den schmierigen und schwarzbraunen Schlieren zu reinigen.
»Mendaron Norandar?«
Wieder störte ihn jemand, doch diesmal war es eine Frauenstimme, die nach ihm rief. Telarion seufzte auf. Es gab nur eine Frau, der Gomaran gestattet hätte, ihn hier zu stören. Er hob den Kopf, kniete aber weiter und hielt den Blick gesenkt.
»Was wünscht Ihr, meine Königin?«, fragte er dann, ohne sich umzudrehen.
Leise, als wolle sie ihn nicht stören, trat Ireti Landarias näher.
»Verzeiht mir, Schwager, dass ich Eure Meditation unterbreche. Gomaran wollte mich daran hindern, doch ich bestand darauf, dass er mich zu Euch vorlässt. Ihn trifft keine Schuld«, sagte sie und sprach damit das Offensichtliche aus.
Telarion wandte sich nicht zur Frau seines Bruders um. Er konnte sich denken, warum sie ihn aufsuchte, umso schwerer fiel es ihm, seine Sinne vom Reinigungsprozess seiner Magie abzuwenden und alle Aufmerksamkeit Ireti Landarias zu schenken.
»Ihr seid in Sorge, dass ich nicht zu dem Bankett komme, welches Ihr und mein Bruder heute für die Fürsten gebt.« Die Ungeduld, sich in dieser Situation mit einer so profanen Sache wie einem Bankett befassen zu müssen, fand ihren Niederschlag in seinen Worten. »Ich habe meinem Bruder bereits mitgeteilt, dass es von den Umständen abhängt, ob ich teilnehme oder nicht.«
Seide raschelte, als sie sich auf eine der Bänke setzte, die den Gebetsraum umgaben, und die Hände im Schoß faltete.
»Euer Bruder vertraut Euch und wünscht Euch an seiner Seite«, erwiderte sie. »Doch es ist natürlich Eure Entscheidung, ob Ihr diesem Wunsch entsprecht.«
Telarion verneigte sich noch einmal vor dem Altar des Vanar und gestattete sich einen Augenblick des Bedauerns, bevor er aufstand und sich ihr zuwandte.
Ireti sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. Die Elbin mit den dunkelblauen Augen einer Magierin des Wassers saß aufrecht auf der Bank und wich seinem Blick nicht aus. Ihr dunkles Haar war ein glatter Vorhang, der beinahe bis zu ihren Hüften hinabfiel, doch heute hatte sie es auf Höhe der Schulterblätter mit einem beinahe unsichtbaren, silbrigen Band zusammengefasst. Ihre Robe aus dunkler Seide war prachtvoll, wie es einer Königin gebührte und betonte sowohl ihre schlanke Figur als auch die blasse Haut.
Doch Telarion ließ ihre Schönheit kalt. »Ich weiß, dass mein Bruder das wünscht. Doch Tarind wünscht auch, die Macht dieser Rebellin zu besitzen, und erwartet von mir, dass ich sie in seinen Dienst stelle«, antwortete er und gab sich keine Mühe, seine Abneigung gegen seine Schwägerin zu verbergen.
»Werdet Ihr das tun?«
»Natürlich werde ich das.« Telarion sprach die Worte ohne Zögern aus und verdrängte damit die eigenen Zweifel. Sie gingen selbst die Königin nichts an. »Auch wenn es meine Magie verunreinigt.« Er schlug noch einmal das Zeichen des Vanar vor der Stirn.
»Ich halte dieses Unterfangen nach wie vor für zu gefährlich«, sagte Ireti. »Und ich wünschte, Ihr würdet es Eurem Bruder ausreden.«
Telarion hob die Brauen. »Zu gefährlich? Weiß Euer Gemahl, wie Ihr darüber denkt?«
Sie kniff kurz die Lippen zusammen, ehe sie erwiderte: »Das weiß er, und doch will er sich unbedingt der Kräfte dieser Schankdirne versichern. Er bereitet sich gerade vor, ihr einen neuen Besuch abzustatten!«
Die Unruhe, die von ihr ausging, verwunderte Telarion. Die Königin hatte bisher immer auf der Seite Tarinds gestanden, wenn es darum ging, die dunklen Kräfte aus der Welt zu verbannen. Sie hatte ihrem Gemahl jede nur erdenkliche Unterstützung für den Feldzug nach Erathi angedeihen lassen und hatte sich auch im Rat der Fürsten für einen Krieg gegen den Zaranthen ausgesprochen.
Und der Fürst von Solife war nur zu besiegen, wenn Tarind genügend Dunkel-
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