Dunkelziffer
danach Funkstille.
Er war hinausgeschlichen und hatte nachgesehen, in der hellen Sommernacht. Er sah die beiden angetrunkenen Jugendlichen auf dem Monteliusväg, er sah die schreckensstarren Streifenpolizisten - beide Bullen kotzten tatsächlich -, und er sah den Mann auf der Parkbank.
Er sah die beiden Schnittflächen des durchtrennten Halses.
Und er erkannte ihn.
Es war Hasse. Hasse Kronos.
Was hatten sie nicht alles zusammen gemacht...
Er spürt keine Furcht - Furcht hat er nicht mehr erlebt seit seinem fünften Lebensjahr -, aber die Situation ruft auf jeden Fall die Erinnerung an Furcht hervor. Die ist es auch, die seinen kurzen, aber nachdenklichen Brief diktiert:
>Freunde! Extreme Vorsicht ist angeraten. Sie haben den nächsten Schritt geta n. Sie sind nahe. Immer Euer K. O.D.<
Ein schiefes Lächeln.
Noch eine Rede aus dem Dunkel.
Während die Worte des Kahlen durch die Serie von Verschlüsselungsprogrammen geschleust und in den globalen Äther hinausgeschleudert werden, sieht er, dass ganz kleine Streifen von Glanz auf die schwarze Wasserfläche von Riddarfjärden zurückgekehrt sind.
Die Dämmerung ist da.
Die kurze Sommernacht ist vorüber.
Für alle anderen.
21
Arto Söderstedt und Viggo Norlander suchten im Polizeipräsidium den richtigen Weg zu finden. Es war natürlich ausgesprochen peinlich, sodass Söderstedt Norlander schon dreimal das heilige Versprechen abgenommen hatte, die Sache niemals zu erwähnen.
Schließlich taten sie es doch.
Den Weg finden also.
Die Abteilung für Kinderpornografie in der Reichskriminalpolizei gehörte zwar zu den in den Medien erfolgreichsten Polizeieinheiten Schwedens - jeder Zugriff auf ein Pädophilennetz erregte große Aufmerksamkeit -, aber das bedeutete nicht, dass ihre Räume besonders ansprechend gewesen wären. Vielmehr war die Ähnlichkeit mit den nicht gerade imponierenden Büroräumen der A-Gruppe fast erschreckend. Es war wie ein Spiegelbild, wenn auch um einiges vergrößert.
Das Büro des Chefs lag exakt an der gleichen Stelle wie das von Kerstin Holm. Nur hier hieß der Chef Ragnar Hellberg, eher bekannt als Party-Ragge, ein Medienhansel, der jedoch eine entscheidende Rolle bei einem früheren Fall der A-Gruppe gespielt hatte. Bei jenem Fall, der Sara Svenhagen - die sehr nahe am Burn-out gewesen war - veranlasst hatte, die Abteilung für Kinderpornografie zu verlassen und in der Einheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter Zuflucht zu suchen.
Und da war es ja viel ruhiger...
In einem aber unterschied sich Kommissar Ragnar Hellbergs Büro von dem Kerstin Holms: Es gab einen Einlassmechanismus.
Nachdem sie den Knopf gedrückt und mittels eines Lämpchens grünes Licht erhalten hatten, betrat das Duo Hellbergs Büro mit den Worten: »Ist ja wirklich die Hölle hierherzufinden.«
Worauf Arto Söderstedt Viggo Norlander einen bösen Blick zuwarf und die beiden sich auf den angewiesenen Plätzen vor Hellbergs Schreibtisch niederließen.
Ragnar Hellberg hatte sich nicht sehr verändert, seit sie ihn zuletzt im Zusammenhang mit dem komplizierten Fall des Totschlägers von der Södermalmskneipe Kvarnen gesehen hatten. Der Spitzbart war noch vorhanden, Hellberg war immer noch der jüngste Kommissar in leitender Position bei der Polizei, und er war immer noch mediengeil. Während seine Angestellten der Reihe nach infolge Burn-out-Syndroms und verödeten Sexuallebens ausfielen, blieb er selbst immun gegen die groteske Welt der Kinderpornografie. Vermutlich, weil er nicht sehr viel davon sah. Er war ein echter Administrator.
»Ihr wolltet also mit mir sprechen?«, sagte er ziemlich uninteressiert. »Sonst haben wir ja nicht viel mit der A-Gruppe zu tun. Ihr seid bekannt dafür, dass ihr unter euch bleibt.«
»Das ist wohl eher Zufall«, sagte Arto Söderstedt milde. »Womit darf ich denn dienen?«, fragte Hellberg ebenso milde.
»Ist zurzeit bei den Pädophilen im Lande etwas im Gange?«, fragte Söderstedt. »Etwas im Gange?«
»Gibt es seit etwa einem halben Jahr irgendwelche Tendenzen? Abweichungen vom gängigen Muster?«
Ragnar Hellberg sah auf seine Hände und rieb sie, als ob er sie mit virtuellem Wasser wüsche.
Mit virtuellem Weihwasser?, dachte Arto Söderstedt.
Allem Anschein nach äußerst widerwillig äußerte sich Hellberg: »Seid ihr offiziell hier? Auf Anordnung von Holm?«
»Ja«, sagte Söderstedt. »Glaub mir, wir sind keine Medienspione. Wir glauben nämlich, dass etwas vorgeht, und wir versuchen
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