Dunkelziffer
Telefonbuch. Es war eine Frau. Christine Clöfwenhielm in Vasastan. Es war nach Mitternacht, und er rief an. Es konnte als übertrieben eifrig erscheinen, aber es ging eigentlich nur darum, dass er es sonst vergessen hätte.
»Hallo, hier Christine«, antwortete eine Frauenstimme schon nach dem ersten Klingeln.
Hjelm, der mindestens drei Klingeltöne gebraucht hätte, um eine gute Lüge vorzubereiten, stotterte: »Ja, hallo, hier ist die Polizei. Paul Hjelm.«
»Nein, Clöfwenhielm«, sagte die Frauenstimme höflich.
Es ist immer wunderbar, ein Gespräch mit Missverständnissen und Hörfehlern zu beginnen, dachte Paul Hjelm und wechselte geschmeidig die Spur: »Entschuldigen Sie, dass ich so spät anrufe, aber ich suche einen möglichen Verwandten von Ihnen, ich kann mich nicht an seinen Vornamen erinnern, einen älteren Mann, der in einer Ordensgesellschaft namens Mimer aktiv war.«
»Ah«, sagte Christine Clöfwenhielm mit einem leichten, feinen Einatmen. »Ich glaube, Sie meinen meinen Onkel David. Er hat sich mit diesem komischen Ordenskram beschäftigt.«
»Ja, stimmt, so hieß er«, sagte Hjelm. »David Clöfwenhielm. Wissen Sie, wie ich ihn erreichen kann?«
»Keine Ahnung«, sagte Christine Clöfwenhielm. »Aber ich fürchte, dafür braucht man gute Kontakte zu den höheren Mächten.«
»Er ist also tot?«, sagte Hjelm und fühlte sich wach.
»Er ist voriges Jahr gestorben, ja. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihn besonders gut gekannt habe. Aber ich denke, wir waren die Letzten unseres noblen Geschlechts. Jetzt bin ich allein.«
»Bedeutet das, dass du auf dem Familienerbe sitzt?«
Hjelm wusste nicht genau, wie es kam, dass er vom Sie zum Du wechselte. Vermutlich war etwas Ansprechendes im Tonfall der Frau, das es unmöglich machte, weiter Sie zu sagen.
»Ein großes Familienerbe gibt es nicht«, sagte Christine Clöfwenhielm mit einem warmen Lachen. »Verarmter Adel, weißt du. Aber so ist das nun einmal. Ein paar Wappenschilde und eine grässliche Rüstung auf dem Dachboden.«
»Briefe, Papiere?«
»Kistenweise.«
»Könnte ich vielleicht vorbeikommen und mir das noble Erbe ansehen?«
»Worum geht es genau bei der Sache? Und wie heißt du?«
»Ich heiße Paul Hjelm«, sagte Paul Hjelm. »Kriminalkommissar Paul Hjelm.«
Christine Clöfwenhielm lachte laut. Es war ein ganz wundervoller Ton.
»Ist das so lustig?«, fragte er und war zu seiner Verwunderung einer Meinung mit ihr, dass es ziemlich lustig war.
»Ich habe mich vorhin verhört«, sagte Clöfwenhielm. »Tut mir leid. Vielleicht sind wir verwandt. Halbvetter und -kusine. Ich bin die Klaue, und du bist der Helm.«
Paul Hjelm fand tatsächlich, dass sein Lachen ziemlich vital klang. Obwohl er in seinem Leben viel zu viele Helmwitze gehört hatte. »Es geht jedenfalls um einen alten Vorfahren von dir«, sagte er nach einer Weile. »Um einen Mann namens Andreas Clöfwenhielm, der im achtzehnten Jahrhundert lebte. Er hat eine geheime Gesellschaft gegründet, die sich Fac ut vivas nannte. Weißt du etwas darüber?«
»Ich bin leider nicht besonders bewandert in meiner Familiengeschichte«, sagte sie. »Die ersten fünfundzwanzig Jahre meines Lebens habe ich damit verbracht, mit dem Namen Clöfwenhielm zurechtzukommen. Er hat mich in der Pubertät fast in den Selbstmord getrieben. Für das Adlige habe ich nie Sinn gehabt. Ganz zu schweigen von Orden und geheimen Gesellschaften. Schrecklich ermüdend. Es gibt also noch andere in der Geschichte als Onkel David?«
»Ich fürchte, ja«, sagte Hjelm. »Kann ich morgen vorbeikommen und mir den Familienbesitz ansehen?«
»Sicher«, sagte Christine Clöfwenhielm. »Ich wohne am Tegnerlund, ich arbeite zu Hause, mein Atelier ist neben meiner Wohnung. Die ist der eigentliche Familienbesitz, das gebe ich zu. Zweihundert Quadratmeter.«
»Ui«, sagte Hjelm. »Sehen wir uns gegen zehn Uhr?«
»Aber worum geht es genau bei der Sache?«
»Es gibt in Andreas Clöfwenhielms Erbe Dinge, die noch heute von Bedeutung sein könnten. Mehr kann ich leider nicht sagen. Tut mir leid.«
»Spannend«, sagte Christine Clöfwenhielm. »Polizeigeheimnisse. Ja, zehn Uhr ist ausgezeichnet. Also dann, bis morgen.«
»Bis morgen«, sagte Paul Hjelm und bereute es nicht, an diesem Abend auf die Datingseiten im Internet verzichtet zu haben.
Eine lebendige Stimme war doch allemal besser. Und die Stimme von Christine Clöfwenhielm klang lebendiger, als ihm seit Langem eine Stimme erschienen war.
20
Auch kurz
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