Dunkelziffer
versteckt hält und gar nicht weit weg ist«, sagte Sara und schob das Handy in ihre Jackentasche. »Aber das lässt sich immer noch sehr schwer rekonstruieren. Jedenfalls ist es immer wahrscheinlicher, dass dieser Mann Sten Larssons Mörder ist.«
»Und Emily Flodberg mitnimmt«, fügte Gunnar Nyberg hinzu.
»Es sieht fast so aus«, sagte Sara Svenhagen. »Aber wie sieht dann das Szenario insgesamt aus? Emily hat Kontakt mit Sten Larsson und hat ihm gesagt, er sei ihr Vater. Für Sten - der, wenn er wirklich an der Vergewaltigung 1989 unschuldig ist, keinen einzigen aktenkundigen Übergriff in seinem Register hat, sondern nur den Besitz von Kinderpornografie -, für Sten ist dies eine Offenbarung. Vielleicht ist es wie eine Einladung zu einem späten Debüt in real life. Es ist endlich Zeit für ihn, den Schritt aus der virtuellen Welt heraus in die wirkliche zu tun. Dieses Mädchen, das ihn Papa nennt, legt sich sozusagen für ihn zurecht. Es ist wie ein Geschenk von oben.«
»Oder vielleicht eher von unten«, sagte Gunnar grimmig.
»Aber woher kommt dann dieser andere Mann? Und was genau sagt uns, dass es derselbe Mann ist, der Elvira Blom im Pflegeheim besucht hat?«
»Große Füße«, sagte Gunnar. »Fleischig und beefig.«
»Viele Männer haben große Füße«, sagte Sara. »Aber woher kommt er? Woher weiß er, dass Sten und Emily sich treffen wollen? Und an welchem Ort? Und welche Absicht verfolgt er?«
»Und wer ist er?«, fragte Gunnar. »Wenn er ein regelmäßiger Besucher von Elvira Blom ist und ausdrücklich die Schuld für die Vergewaltigung 1989 auf sich genommen hat - dann ist er...«
Sara Svenhagen nickte und reckte sich. »Dann ist er der Vater von Emily...«
24
Es war Mittwoch, der sechzehnte Juni, halb zehn am Morgen, und das Wetter war prächtig. Paul Hjelm hatte sich seit Langem nicht so gut gefühlt. Er hatte besser geschlafen als seit Monaten, von einer lieblichen Frauenstimme in den Schlaf gewiegt, und als er von seinem Dienstwagen die Norrtullsgata hinaufging, spürte er einen inneren Frieden wie seit der Zeit mit Christina nicht mehr. Er fragte sich, was wohl aus ihr geworden war, seiner Liebe von vor zwei Jahren. Doch er fragte sich nur kurz. Denn jetzt hatte er das anspruchslose Gebäude unmittelbar neben dem Norrtull-Krankenhaus erreicht, in dem die Theta International Communications AB zu Hause war.
IT-Berater liebten griechische Buchstaben. Vielleich t weil die eigenen Buchstaben -I und T - den magischen Klang verloren hatten, der vor ein paar Jahren von ihnen ausgegangen war. Die Zeiten waren lange vorbei, da die Stockholmer City von IT-Beratern überfüllt war, die das Gold mit Händen scheffelten. Die Zeiten hatten sich geändert, und die wenigen IT-Berater, die übrig geblieben waren, hatten ihren Glamour kräftig heruntergeschraubt.
Einen Moment lang hatte Paul Hjelm das Gefühl, er hätte Bengt Äkesson mitnehmen sollen auf die Abenteuer des Vormittags - ehrlich gesagt, wusste er nicht einmal, wo der Beschuldigte sich befand -, doch dies hier wollte er allein erledigen. Er war einer Geschichte auf der Spur, die weit über Äkessons mediokren Kopf hinausging.
Das war die offizielle Version. Die inoffizielle war, dass er mit Christine Clöfwenhielm in ihrem großen Atelier am Tegnerlund allein sein wollte.
Theta International Communications AB besaß drei Etagen in der Norrtullsgata, und der stellvertretende Geschäftsführer befand sich, wie zu erwarten war, ganz oben. Nachdem Paul Hjelm in der unteren Etage in die Fänge einer rabiaten Empfangsdame geraten war, die darauf bestanden hatte, ihn Paul Hjälte zu nennen, nahm eine Sekretärin Hjelm mit einer Miene in Empfang, als wäre er ein Angehöriger des Königshauses. Es kam Hjelm sonderbar vor, war jedoch vermutlich eine geschäftlich überaus brauchbare Strategie. Er fühlte sich noch besser, als er ins Allerheiligste eintrat, das Zimmer des Geschäftsführenden Direktors.
Die Empfangsdame unten müsste allerdings bei nächster Gelegenheit ausgetauscht werden.
Olof Lindblad war ein liebenswürdiger Mann in den Fünfzigern, durchtrainiert, angemessen entspannt, nicht ohne eine gewisse Aura von Wohlhabenheit und Lebensart. Ein Mann, der die guten Dinge im Leben zu schätzen gelernt hatte. Hjelm empfand sofort Sympathie für ihn.
Er wurde Lindblad gegenübergesetzt, der Hjelms Visitenkarte ansah und nicht ohne Verwunderung sagte: »Abteilung für Interne Ermittlungen?«
»Ja«, sagte Paul Hjelm. »Im Augenblick
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