Dunkelziffer
war.
Aber so war es natürlich nicht.
Er hatte sich selbst für eine sündige Vergangenheit bestraft. So viel war klar. Und er schien nicht der Typ zu sein, der glaubte, viel zu verlieren zu haben.
Schließlich waren die Stühle besetzt. Überall saßen Männer und Frauen jedes Alters, in orangefarbene Laken gehüllt, nicht unähnlich den Kostümen der Hare-Krishna-Anhänger.
Das leise Raunen, das, noch eine Weile, nachdem alle ihre Plätze eingenommen hatten, den Raum erfüllt hatte, versiegte allmählich, und es wurde vollkommen still.
Jetzt erschienen zwei Gestalten in gelben Mänteln mit Kapuze. Sie gingen langsam nach vorn und stellten sich vor dem orangefarben verhüllten Gegenstand auf. Beide zogen langsam die Kapuzen ab. Die größere Gestalt war ein Mann von etwas mehr als mittlerem Alter, leicht anämisch und mit grauer Haut. Die kleinere war Christine Clöfwenhielm.
Sie hob die Hände und sprach mit imponierender Stimmkraft: »Seid gegrüßt, Mitglieder von Fac ut vivas. Wie ihr wisst, hat dieser Abend eine mehrfache Funktion, über das Normale hinaus.«
Es war eine Weile still. Hjelm beobachtete die kleine Gestalt, die wieder die Hände hob und sagte: »Unser Werk ist groß, meine Freunde. Und es ist im Begriff, noch größer zu werden. Lasst uns unsere ruhmvolle Vergangenheit enthüllen.«
Sie gab dem Anämischen, der offenbar ihre rechte Hand war, ein Zeichen, und er ergriff eine Schnur, die an dem orangefarbenen Laken hing, und zog daran.
Die Hülle fiel.
Und da stand Rigmondo, über zweihundert Jahre nach seinem Tod, in voller Manneskraft auch jenseits des Todes.
Das Skelett machte tatsächlich einen sehr merkwürdigen Eindruck, wie es da auf seinem Podest stand. Es war noch immer ziemlich geschwärzt, aber die Statur war eine ganz andere. Es war eine unerwartet stattliche Gestalt, die ihren Penisknochen dem versammelten Publikum entgegenstreckte.
Dem versammelten Publikum, das bewundernde Laute von sich gab.
Christine Clöfwenhielm hob wieder die Hände und sagte: »Als mein Vorfahr Andreas Clöfwenhielm Rigmondo zum ersten Mal auf einer Bühne vor dem Herrenhaus des Herzogs Gravemonte im südlichen Frankreich erblickte, stand ihm sein gesamtes zukünftiges Werk bereits klar vor Augen. Die Welt, in der er lebte, war dabei, sich aus dem Bann der Kirche zu befreien, aus einem Bewusstsein, das bis zum Tod mit Sünde und Schuld belastet war. Andere Kräfte hatten in der Menschheit zu brennen begonnen. Man hatte Spuren ursprünglicher Naturkräfte entdeckt, die die menschliche Zivilisation schufen und entwickelten. Die Sexualität war wieder im Begriff, ihre Leben spendende Kraft zu entfalten, und mein Vorfahr sah, sah sehr deutlich, dass es ein besseres Leben gab, in dem alle willkommen waren, die die Lebenskraft in Körper und Seele, in Geist und Materie keimen fühlten. Andreas nahm Rigmondo aus Frankreich mit, und als er Fac ut vivas schuf, wurde Rigmondo zur selbstverständlichen Zentralgestalt. Mit seiner Hilfe wurde die Lebenskraft in Schweden wieder freigesetzt. Wir brauchten die Kraft der Sexualität und der Lebenskraft nicht mehr zu fürchten, wir brauchten keine Angst mehr zu haben vor unserem Körper. Eine neue vitale Kraft breitete sich in Stockholm und im Lande aus. Und jetzt sehen wir ihn hier wieder. Im Schatten Rigmondos kann unser Werk weiterleben und sich weiter entwickeln.«
Christine schwieg. Langsam ließ sie den gelben Mantel fallen und stand nackt vor allen da.
»Heute Abend haben wir ein Mädchen bei uns, das wir in die Mysterien der wahren Lebenskraft einweihen wollen«, sagte sie mit einer Stimme, die Paul Hjelm die letzten Reste seines kritischen Widerstands verlieren ließ.
»Gelbe Markierungen«, sagte Viggo Norlander und zeigte auf eine.
Tatsächlich hing ein gelber Plastikstreifen flatternd an einem Straßenschild, als Bengt Äkesson den Wagen auf den Källängsväg im Industriegebiet von Segeltorp lenkte.
»Ich vermute, man soll einfach weiterfahren, bis man den nächsten sieht«, sagte Kerstin Holm.
Der Wagen fuhr langsam weiter und ließ die Zivilisation allmählich hinter sich.
»Da«, sagte Norlander und zeigte auf den nächsten gelben Plastikstreifen. Er blickte zur Seite, wo Arto Söderstedt wild in Karten und Plänen blätterte.
»Ich glaube, ich weiß, wo wir sind«, sagte Söderstedt wenig überzeugend.
»Ausgezeichnet«, sagte Bengt Äkesson gekünstelt und gab Gas.
Sie machten vier weitere Plastikstreifen aus.
Der letzte hing am Rande des
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