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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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ihren Platz im Dasein nach. Wie man es als Vierzehnjährige tut.«
    Selbstverständlich, dachte Kerstin Holm, aber hier geht es um Wildnis, Stromschnellen, Pädophile, Balten. Aber sie sagte: »Das meine ich auch. Trotzdem müssen wir alles tun, um sie zu finden. Ich muss also möglichst viel über Emily wissen. Wie haben Sie erfahren, dass sie verschwunden ist?«
    »Ihre Lehrerin hat angerufen und geweint. Es war schlimm.«
    »Asta Svensson?«, warf Kerstin ein.
    Birgitta Flodberg blickte mit energischem Gesichtsausdruck auf, wie um zu zeigen, dass sie wusste, wovon sie sprach. »Ihre Klassenlehrerin, ja. Sie ist mitgefahren nach Norrland.«
    »Ihre Klassenlehrerin heißt also Asta Svensson?« »Ja.«
    Hm, dachte Kerstin Holm und folgte einer anderen, aber parallelen Spur: »Wie ist Emily in der Schule?«
    Birgitta Flodberg schüttelte den Kopf. »Man weiß ja nichts mehr«, sagte sie. »Sie bekommen ja keine Zeugnisse.«
    »Aber Sie haben doch sicher Elterngespräche und so etwas gehabt? Kontakt mit der Schule?«
    »Ich konnte nicht hingehen. Es hat nie gepasst.« »Gepasst?«
    »Zeitlich. Ich hatte einfach keine Zeit.« »Und Emilys Vater?«
    Birgitta Flodberg lächelte trocken. Ja, es war ein trockenes Lächeln. Nicht bitter, nicht böse, nicht nostalgisch. Eben trocken. »Das kommt kaum infrage«, sagte sie noch trockener.
    Kerstin Holm überlegte, ob sie das Thema vertiefen sollte. Nicht jetzt, entschied sie. »Haben Sie so viel zu tun?«, fragte sie stattdessen.
    »Nicht unbedingt. Es hat einfach nicht gepasst.«
    Was gibt es Wichtigeres, als zu den Elterngesprächen über Teenagertöchter zu gehen?, dachte Kerstin gereizt. Aber zum Glück dachte sie es nur. »Sie arbeiten also als Telefonistin bei Telia?«, fragte sie.
    »Stimmt.«
    »Was heißt das konkret?«
    »Was hat das mit dem Verschwinden meiner Tochter in Norrland zu tun? Wenn die Polizei immer so arbeitet, verstehe ich, dass nie ein Fall gelöst wird. Man kann es ja in der Zeitung lesen, alles landet auf großen Papierstapeln, um die sich keiner kümmert.«
    »Stimmt nicht ganz. Einige sehr tüchtige Polizisten versuchen, Ihre Tochter zu finden. Ich bin deren Chefin, und ich muss so viel wie möglich über Ihre Tochter wissen, inklusive Familiensituation. Was bedeutet es also konkret, als Telefonistin bei Telia zu arbeiten?«
    Birgitta Flodberg starrte Kerstin Holm an, und ihr Blick war schärfer, als sie bei es dieser kleinen, eingesunkenen Frau erwartet hätte.
    »Ich bin die Frau, die antwortet, wenn Sie 9 02 00 wählen«, sagte sie. »Kundendienst.«
    »Sie verstehen sich also auf Telefone?«
    »Ich verstehe mich darauf zu wissen, wer sich auf Telefone versteht. Und wer sich aufs Internet versteht. Und auf Mobilfunknetze. Und so weiter.«
    »Ist das eine volle Stelle?«
    »Fünfundsiebzig Prozent.«
    »Haben Sie noch andere Jobs?«
    »Nein, keine anderen. Jetzt ist es aber genug. Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Kerstin Holm. »Kehren wir zu Emily zurück. Hat sie Geschwister?«
    »Nein.«
    »Wie würden Sie sie beschreiben?«
    »Als ganz normale Vierze hnjährige«, sagte Birgitta Flod berg immer noch etwas verärgert. »Sie wissen doch, wie Vierzehnjährige sind?«
    »Sie sprechen viel von Vierzehnjährigen, aber mir geht es um Emily. Sie haben doch sicher eine Vorstellung von der Persönlichkeit Ihrer Tochter?«
    Zu hart? Hart genug? Immer schwierig zu entscheiden. Aber Kerstin glaubte mittlerweile eine Vorstellung von Birgitta Flodberg zu haben. Einer Frau, deren Arbeit mit typischen Fällen zu tun hatte - dieser muss dorthin, jener hierhin vermittelt werden -, einer Frau, die darauf bestand, über ihre Tochter als typischen Fall zu sprechen. Und die viel souveräner war, als ihr Körper zu erkennen gab. Als wäre die jämmerliche Körpersprache eine Maske oder jedenfalls ein Schutzmechanismus. Um die Leute in die Irre zu führen. Irgendetwas stimmte nicht mit dieser Frau.
    »Sie ist eine Grüblerin«, sagte Birgitta Flodberg barsch, »das sagte ich schon. Schwer zugänglich mittlerweile. Als sie kleiner war, konnte ich leichter mit ihr reden. Wenn ich jetzt versuche, an sie heranzukommen, blockt sie ab. Sind Sie jetzt zufrieden?«
    »Etwas zufriedener«, sagte Kerstin Holm. »Ich weiß, dieseSache ist hart, glauben Sie mir. Aber je aufrichtiger Sie sind, desto leichter wird es sein, Emily zu finden.«
    Birgitta Flodberg sah ihr wieder tief in die Augen. Die seltsame Kraft in ihrem Blick wurde stärker. Aber auch der

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