Dunkelziffer
geben.
Dachte Jorge Chavez, und auf dem Bildschirm öffnete sich eine Homepage, auf deren Startseite ein kleines Rechteck in der Mitte fragte: >Passwort?<
Chavez ließ alle verwickelten Gedanken fallen, streichelte mit den Fingern die Tastatur und sagte laut: »Meine Herren.«
Jon Anderson und Axel Löfström blickten in seine Richtung, vielleicht nicht allzu begeistert, eher irritiert über die Störung, aber sie guckten auf jeden Fall.
Chavez fuhr ermuntert fort: »Ich befinde mich auf der Schwelle zu Emily Flodbergs privater Homepage. Jemand interessiert?«
Zwei Bürostühle rollten in seine Richtung und schienen den ganzen Raum in Schwingung zu versetzen.
Chavez öffnete seine Brieftasche und zog einen zusammengefalteten gelben Post-it-Zettel heraus. Er faltete ihn auseinander und las laut: »>Mistah.<«
Er betrachtete die Kollegen, um zu sehen, ob sie eine Reaktion zeigten. Nichts. Dann leuchtete Andersons Gesicht auf, und sein schlaksiger Körper streckte sich. »Mistah Kurtz«, nickte er. »Aus Herz der Finsternis. So nennen die Schwarzen den selbst ernannten Diktator Kurtz. Die Klasse hat doch da oben in Saltbacken Joseph Conrad gelesen.«
Chavez nickte und sagte: »Diesen Zettel hat Kerstin unter einem Haufen von Post-it-Blöcken in Emilys Zimmer gefunden. Es kann das Passwort sein.«
»Versuchen wir's«, sagte Axel mit einem Nicken.
Chavez beugte sich über den Computer, ließ die Fingerspitzen ein letztes Mal über der Tastatur schweben und gab >Mistah< ein.
Das Bild verschwand abrupt.
Aber am Fuß der Seite, in der unteren Zeile vom Internet Explorer, tickte ein wachsender blauer Stapel.
Nach zehn Sekunden intensiven Wartens tat sich eine Seite mit großen Lettern auf: >Emmys erotische Seite<.
»Emmy?«, sagte Jon Anderson skeptisch.
»Erotisch?«, sagte Axel Löfström noch skeptischer.
Der Computer einer Unschuld, dachte Chavez wieder und klickte den dubiosen Titel an. Wieder verschwand das Bild, und der wachsende blaue Stapel wurde sichtbar.
Dann erschien ein Foto.
Chavez warf einen Blick auf das neben ihm auf dem Schreibtisch liegende Foto von Emily Flodberg und konnte nur konstatieren, dass das nackte Mädchen in aufreizender Pose auf dem Schirm dieselbe Person war.
Emily nackt.
Das war alles.
Als Chavez den Pfeil über das Bild zog, veränderte es sich. Als ob es einen Link verbarg. Er drückte darauf. Ein Text erschien. Chavez las laut: »>Es kostet hundert Kronen das Stück, wenn du mehr Bilder sehen willst. Sie werden besser, das verspreche ich, und sie haben eine hohe Auflösung. Du kannst direkt bezahlen via.. .< Und dann eine Reihe von Banken. Und sie nimmt sage und schreibe auch American Express.«
»Meine Fresse«, sagte Jon Anderson und starrte auf den Schirm. »Wie kann sie per Kreditkarte kassieren?«
»Das ist heutzutage total einfach«, sagte Axel Löfström mit gewohnter Kennerschaft.
Chavez fuhr fort: »Und dann dieser hübsche Schriftzug: >Schreib etwas in mein Gästebuch oder schick mir eine Mail.<«
»Eine Mailadresse«, nickte Anderson. »Jetzt aber.« »Kontrolliert erst einmal das Gästebuch«, sagte Löfström unerwartet aufgekratzt.
Chavez klickte sich zu dem sogenannten Gästebuch durch, einem Internetdienst, wo man öffentliche, für jedermann lesbare Mitteilungen auf einer Seite hinterlassen kann.
Es war keine erbauliche Lektüre, die dem Trio vor dem Computer der vierzehnjährigen Emily Flodberg entgegenkam. Männer jedes Alters und mit verschiedenen Formen absurder Pseudonyme, so genannten Nicks, hatten Mitteilungen hinterlassen, die von Emilys Körper sprachen und was mit diesem getan werden sollte. Es war zutiefst abstoßend.
»Sie hat den Kopf tief in den Rachen des Löwen gesteckt«, sagte Anderson. »Warum?«
»Sie testet ihre Attraktivität«, sagte Axel Löfström, wiederum von einer dunklen Erfahrungsgrundlage aus. »Die Möglichkeiten, Bestätigung zu erhalten, haben sich mit dem Internet lawinenartig vermehrt.«
»Künstliche Bestätigung«, sagte Chavez.
»Kontrollier mal die letzte Mitteilung«, Löfström zeigte darauf. >I will get you, you little whore, wherever you go I will be there and catch you and f uck you till you die.<
»Au weia«, sagte Anderson. »Wann ist die gekommen? Lass mal sehen, neunter Juni, am Tag bevor die Klasse nach Ängermanland gereist ist?«
Chavez nickte grimmig. »Ich sehe nach, woher sie gekommen ist«, sagte er und tippte wild auf der Tastatur.
Eine Liste rollte über den Bildschirm. Die Server
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