Dunkelziffer
leise. »Bargeld in kleinen Scheinen, wie vereinbart. Sorgen Sie dafür, dass die Ware unbeschädigt ist.«
»Der Ware geht es bestens«, sagte Steffe.
»Und Ihnen?«, sagte der Buchhalter überraschend.
»Mir geht es gut.«
»Klingt nicht so.«
»Nein? Scheißen Sie drauf.«
»Nun ja«, sagte der Buchhalter ruhig. »Hauptsache, die Ware ist zum genannten Zeitpunkt in unbeschädigtem Zustand da, dann mag es Ihnen gehen, wie es will.«
Dann war er weg.
Steffe betrachtete das Handy. Er nahm den zerrissenen Stoffbeutel und stopfte es hinein. Es sah etwas traurig aus. Im Bett lag Marja mit acht nackten Männern.
14
Sara Svenhagen saß mit dem Laptop auf den Knien im Wagen und betrachtete Nacktfotos. Mit der schnurlosen Internetverbindung dauerte es eine gewisse Zeit, sie herunterzuladen, und so konnte sie jedes Bild ausgiebig ansehen.
Dann und wann ließ Lena Lindberg auf dem Fahrersitz den Blick herüberschweifen, und der Wagen fuhr Schlangenlinien auf der kurvigen Reichsstraße 90. Mit ein wenig Glück würden sie in wenigen Minuten wieder in Saltbacken sein.
Sie sollten sich natürlich auf die abschließenden Interviews mit der zum letzten Mal versammelten Schulklasse konzentrieren, doch das war nicht einfach. Dies alles war so - schwierig zu handhaben.
Sara wusste überhaupt ni cht, wie sie sich zu Emily Flod bergs nacktem vierzehnjährigen Körper verhalten sollte. Dies waren die Bilder, für die Emily von denen, die sie ansehen wollten, Geld kassierte.
»Soll man das Pornogr afie nennen?«, fragte Gunnar Ny berg schüchtern vom Rücksitz.
»Pornomäßig angehaucht, aber nicht pornografisch«, sagte Lena Lindberg.
»Was heißt das?«, fragte Gunnar.
»Nacktbilder mit pornografischer Attitüde«, sagte Lena. »Eine Ausstrahlung, die besagt, dass man Sex haben will. Aber die Bilder an sich sind ja ziemlich harmlos.«
»Verglichen womit?«, fragte Sara und fühlte sich alt und ausgeschlossen.
»Verglichen mit dem allgemeinen Angebot im Internet«, sagte Lena.
Sara betrachtete sie. Das Verhältnis zwischen ihnen hatte sich merklich verändert. Beide trugen ein Geheimnis mit sich herum, so viel war klar, und es kam ihr immer mehr so vor, als wären ihre Geheimnisse entgegengesetzter Art. Sara selbst war kaum in der Lage, sich einzugestehen, dass mit ihrer Sexualität etwas passiert war, dass sie die Lust daran verloren und im Grunde keine Ahnung hatte, wie es dazu gekommen war. Sie liebte Jorge, aber es lief nichts mehr. Es war, als wäre ihr das Gefühl abhandengekommen. War sie ausgebrannt? War es eine Reaktion auf die Geburt? Allgemeiner Lebensüberdruss? Nein, das stimmte nicht, nicht richtig. Erst jetzt - als sie den echten oder unechten Sog im Blick der verschwundenen Vierzehnjährigen sah - konnte sie sich die Tatsache eingestehen, dass sie die Lust verloren hatte. Aber warum das so war, blieb ihr schleierhaft.
Sie wünschte wirklich, dass ihr Jorge fehlen würde, wie er ihr immer gefehlt hatte - und sie ihm -, wenn sie getrennt gewesen waren. Aber es war einfach nicht so.
Bei Lena schien es umgekehrt zu sein. Auf irgendeine Weise musste sie gemeinsam mit dem kantigen Geir, der Sara in erschreckendem Maße an ihren Vater Brynolf erinnerte, ihre Lust in die richtigen Bahnen gelenkt haben. Seltsam war, dass die Offenherzigste der Offenherzigen die Sprache verloren hatte. Die Zeit der intimen Gespräche zwischen Sara und Lena war vorüber.
Und als zusätzliches Irritationsmoment saß Gunnar auf der Rückbank, der sich in seiner Liebesgeborgenheit mit Ludmila aufgehoben fühlte, wo alles immer nur gut war.
Dieses verdammte gut.
Sara kehrte zu den Fotos zurück. Ein weiteres erschien. Es stimmte - die Posen waren verhältnismäßig unschuldig. Trotzdem war sie splitternackt.
Was war hier eigentlich los? Ging es um Bestätigung? Welche spezifischen Träume verwirklichte Emily? Und wessen Träume ? War es wirklich ihre eigene Idee? Steckte ein heimlicher Zuhälter dahinter? Und hatte es wirklich etwas mit Litauen zu tun?
Sie las laut aus einer E-Mail vor: »>I will get you, you little whore, wherever you go I will be there and catch you and fuck you till you die.<«
»Aus Litauen«, sagte Gunnar Nyberg. »Wollen wir aufgrund der vier litauischen Autos ein mit dunkelhäutigen Männern bevölkertes Szenario konstruieren? So ein Szenario wäre ziemlich schrecklich.«
»Aber wäre es denn wahrscheinlich?«, fragte Sara. »Sind unsere Litauer eine Art Sextouristen, nur in umgekehrter Richtung?
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