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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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und sagte: »Kontaktperson?«
    »Kommissar Alf Bengtsson bei der Polizei in Sollefteä.«
    Kerstin Holm notierte Namen und Telefonnummer.
    »Ich rede mit ihm und teile dir meinen Beschluss so schnell wie möglich mit.«
    Mörner nickte und ging zur Tür. Bevor er auf den Flur trat, blieb er stehen, strich sich über sein roggenblondes Toupet und sagte: »Du solltest berücksichtigen, dass der Reichspolizeichef es begrüßen würde, wenn wir uns des Falls annehmen. Es dürfte bei den Medien gut ankommen.«
    »Ich werde es bestimmt berücksichtigen«, sagte Kerstin Holm und lächelte so süß, dass Waldemar Mörner in den Flur zu schweben schien.
    Sie wandte sich an Gunnar Nyberg und Sara Svenhagen, die beide in unbequemen Positionen auf ihrem Schreibtisch saßen: »Ein scheußlicher Zufall«.
    »Dass ausgerechnet wir hier sind, meinst du?«, sagte Nyberg.
    »Genau. Zwei routinierte Pädophilenermittler.«
    »Die beschlossen haben, sich nie wieder mit Pädophilie zu befassen«, sagte Sara Svenhagen. »Die völlig ausgebrannt waren, als sie zuletzt damit zu tun hatten.«
    »Genau«, wiederholte Kerstin Holm. »Aber wir wissen ja gar nicht, ob es darum geht. Sollte das aber der Fall sein, habt ihr, besonders du, Sara, am meisten Routine.«
    »Sag jetzt nicht, dass du uns nach Ängermanland schicken willst«, sagte Gunnar Nyberg beunruhigt.
    »Wir könnten drauf pfeifen«, sagte Kerstin Holm stilsicher. »Wir könnten so tun, als ginge uns diese verschwundene Vierzehnjährige nichts an. Wir könnten behaupten, wir hätten genug mit wichtigen Fällen von internationaler Art zu tun. Was meint ihr?«
    Besonders die letzte Frage war in ihrer Unschuld ein elegantes Crescendo.
    »Böse Frau«, sagte Gunnar Nyberg.
    »Packt schon mal eure Koffer«, sagte Kerstin Holm.
    In Befolgung dieses Befehls befanden sich Sara Svenhagen und Gunnar Nyberg samt Saras ständiger Partnerin Lena Lindberg jetzt in der Umgebung des kleinen Dorfs Saltbacken, ungefähr auf halber Strecke zwischen Sollefteä und Näsaker im südlichen Ängermanland.
    Sara Svenhagen ließ den hexengebräuähnlichen Himmel weiter brodeln und schob sich widerwillig vom Balkon ins Innere des alten Gebäudes, das passenderweise Gammgarden genannt wurde. Der alte Hof.
    Lena Lindberg saß an einem Tisch im oberen Speisesaal und ließ die Finger durch einen Papierstapel gleiten. Gunnar Nyberg saß neben ihr und beobachtete die schmalen Finger.
    »Du hast schöne Hände«, sagte er.
    Lena zog die Hand erstaunt zurück und wandte sich dem großen Mann zu, mit dem sie bisher eigentlich nicht besonders viel zu tun gehabt hatte. Sie verspürte einen kleinen Anflug naiver Freude, den sie zu verbergen vermochte, indem sie besonders ausführlich entgegnete. »Eine seltsame Konstruktion, diese Stimmen leser. ASR. Automatic Speech Re cognition. Die Dinge geschehen in der Außenwelt. Die Menschen versuchen, Worte zu finden, um, jeder aus seiner begrenzten Perspektive, die Ereignisse zu beschreiben. Ein Mikrofon fängt ihre stockenden Worte auf und verwandelt sie in eine digitale Datei. Einsen und Nullen. Die wandern durch einen Computer, der sie in geschriebene Wörter verwandelt. Fertige, voneinander getrennte Wörter, in denen aber die Pausen, die Betonung, die Phrasierung der Sprechenden nicht enthalten sein können. Oder doch? Der Drucker bringt sie zu Papier, ohne dass wir einen Finger zu rühren brauchen, außer dass wir ein Mikro vor den Sprechenden stellen. Und das hier sind ihre Worte. Die Grenze zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen Wort ist aufgehoben.«
    »Sieht es gut aus?«, fragte Sara.
    »Tadellos«, sagte Lena.
    »Obwohl es reiner Unsinn ist«, sagte Gunnar.
    »Das finde ich nicht«, sagte Lena. »Sie haben sich wirklich bemüht, und erstaunlich viele haben eine wertvolle Zeugenaussage produziert.«
    »Wertvoll in welcher Hinsicht?«, fragte Gunnar und schnippte an den Papierstapel.
    »In der Hinsicht, dass sie Zusammenhang haben«, sagte Lena. »Sie liefern uns die Konturen des gesamten Ablaufs der Ereignisse. Der Rest ist unsere Sache.«
    »Kann es sein«, fragte Sara mit Unschuldsmiene, »dass du, Gunnar Nyberg, alt und bitter geworden bist?«
    »Ich habe getötet«, sagte Gunnar ohne Zögern. »Es ist doch klar, dass ich bitter bin. Ich habe es Tag für Tag vor Augen und frage mich, ob ich nicht anders hätte handeln sollen. Ob alt, das ist eine numerische Frage.«
    »Das glaube ich ganz und gar nicht«, sagte Lena. »Man ist so alt, wie man sich

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