Dunkle Beruehrung
bewegte. Sorgsam betrachtete sie den Mörtel zwischen den Steinen, entdeckte eine Fuge, folgte ihr und zerrte an den Ziegeln. Ein großer Teil des Kamins bewegte sich ein wenig, war aber zu schwer und glitt gleich darauf an Ort und Stelle zurück.
Hier also verbirgt er alles,
dachte sie und zerrte erneut an den Steinen, doch diesmal rührten sie sich keinen Millimeter, und etwas schien sie an Ort und Stelle zu halten. Die nächste halbe Stunde versuchte sie auf jede erdenkliche Weise, den Spalt zu vergrößern, doch selbst als sie die Spitze ihres Kugelschreibers in die Fuge zwängte, tat sich nichts, abgesehen davon, dass der Stift zerbrach.
Sie erhob sich mit einem halblauten Fluch und strich sich den Ziegelstaub von den Händen, erlag dann aber ihrem Zorn und trat gegen die Steine. Nun taten ihr die Zehen weh, und sie hüpfte kurz herum und humpelte an den Schreibtisch zurück, setzte sich und rieb sich den schmerzenden Fuß. Immerhin wusste sie jetzt, wo sich sein Versteck befand, und vermutlich auch, wo
sie
war.
Jetzt musste sie nur noch in das Versteck eindringen und aus ihrem Gefängnis ausbrechen.
15
Riordan rief die Techniker zu einem kurzen Treffen zusammen und sprach die neueste Wunschliste des Vorstandschefs mit ihnen durch. »Wir brauchen all diese Daten und Berichte bis zum Geschäftsschluss heute Abend. Und bis auf Weiteres gilt für alle der Zwölf-Stunden-Tag.«
Keiner beklagte sich, aber einige verdrehten die Augen.
Riordan wandte sich an seinen Cheftechniker, einen Senkrechtstarter, den Genaro noch während des Studiums am Massachusetts Institute of Technology angeheuert hatte. »Bill, ich brauche alle Dateien, die wir von Bellamys Festplatte gezogen haben.«
»Daran wollte ich heute Vormittag arbeiten«, erwiderte Bill. »Gestern habe ich Lücken im Festspeicher entdeckt, die mir nicht gefallen haben. Das könnte auf versteckte Dateien oder so was in der Art hinweisen.«
»Ich lasse das für Sie prüfen«, versprach Riordan.
Während die Techniker wieder in ihren Arbeitsnischen verschwanden, ging er in sein Büro. Lori, sein Assistent, war nach unten geeilt, um die Post zu holen, hatte aber sein Morgengetränk – eine gekühlte Flasche Vitaminwasser – neben einem Stapel Mails auf seinem Schreibtisch stehen lassen. Riordan trank die halbe Flasche aus, während er die Blätter durchsah und wartete, bis sein PC hochgefahren war.
Die morgendliche Besprechung hatte seinen Terminplan über den Haufen geworfen, was er sich eigentlich nicht leisten konnte, wenn Genaro auf dem Kriegspfad war, doch er hatte engagierte Mitarbeiter, und das gesamte Team würde rasch arbeiten, um die nötigen Daten zu besorgen. Alles andere musste warten.
Bill trat mit einer CD ein, auf der Bellamys Dateien gespeichert waren, und schloss die Tür. »Was ist los, Andy? Alle sind so nervös, als stünde der Fußboden unter Strom.«
Durch eine Politik der offenen Tür und dadurch, dass er nicht über seinen Leuten thronte, sondern gemeinsam mit ihnen arbeitete, hatte Riordan die Loyalität der Abteilung gewonnen. An Tagen wie diesen bedauerte er, nicht ehrlicher zu ihnen sein zu können. »Soll ich Ihnen wieder mal erklären, dass Sie nur erfahren, was Sie wissen müssen?«, fragte er und nahm die CD .
»Das habe ich längst gemerkt«, erwiderte der Techniker. »Aber es ist schwer, im Dunkeln zu arbeiten. In der Zeitung steht, das Mädchen habe Bradford Lawson umgebracht. Dabei wissen wir, dass das nicht stimmt.«
»Falls und sobald ich Ihnen mehr sagen kann, werde ich das tun. Mist.« Sein Füller war zerbrochen, und nun lief ihm blaue Tinte über die Finger. »Lori ist unten. Gehen Sie bitte kurz für mich ans Telefon, ja?«
Riordan eilte zur nächsten Herrentoilette, um sich die Tinte von den Händen zu schrubben. Als er am Waschbecken stand, kam einer aus der Buchhaltung mit einer Zeitung unterm Arm herein.
»Morgen.« Der Mann nickte ihm zu und verschwand in einer Kabine.
Riordan trocknete sich die Hände ab, betrachtete sie und griff erneut zum Seifenspender. In diesem Moment tauchte Delaporte auf und trat an ein Urinal. Als der stämmige Mann an ihm vorbeikam, nahm Riordan eine Duftwolke wahr.
»Neues Rasierwasser?«, fragte er Delaporte.
Der warf ihm vom Urinal her einen kurzen Blick zu und öffnete seinen Reißverschluss. »Was?«
Riordan grinste. »Del, Sie riechen nach Parfüm und Zigaretten. Haben Sie im Schreibraum ein Mädchen gejagt?«
»Nein, ich …« Er runzelte die Stirn. »Ich hab
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