Dunkle Beruehrung
Erst als Jessa die Lider wieder öffnete, merkte sie, dass sie die Augen geschlossen hatte. »Das schmeckt ja … anders.«
Matthias’ schwaches Lächeln erreichte seine Jadeaugen nicht, als er den Rest der Frucht zum Mund führte und die Beere sauber vom Stängel biss. Seine Kiefernmuskeln bewegten sich, während er langsam kaute und schluckte, doch er sah ihr dabei die ganze Zeit in die Augen.
»Gut, ich habe mich also geirrt.« Etwas verlegen leckte sie sich die Sahne von den Lippen. »Die sind gut.« Sie wollte selbst eine nehmen.
Eine große Hand schob die Schüssel aus ihrer Reichweite. »Bloß gut?«
Natürlich, er musste darauf herumreiten. »Die sind toll.«
»Wollen Sie noch eine?« Er nahm eine zweite Beere aus der Schüssel, doch als sie danach greifen wollte, zog er die Hand weg. »Mund auf.«
Jessa mochte nicht, wie er sie ansah – als wäre
sie
etwas, in das er beißen wollte. »Ich kann selber essen.«
»Nicht besonders gut.« Er hielt ihr die Beere unter die Nase. »Na los.«
Seufzend machte sie einen auf Guppy.
Doch diesmal ließ Matthias sie die Frucht nicht haben, sondern neckte sie, hielt ihr die Beere an die Lippen, zog sie weg, ehe sie zubeißen konnte, und strich ihr damit da und dort übers Gesicht, bis sie sein Handgelenk packte.
Zwielicht
.
Jessa stand am Rand eines Winterwaldes. Eisige Luft umgab sie, und überall war Schnee, unter ihren Füßen und auf den schwer herabhängenden Ästen. Und er wirbelte ihr langsam um den Kopf und trieb kreiselnd vom Himmel herab. Die sinkende Sonne ließ die Flocken wie kleinste Glasscherben aufglühen. Vor ihr auf der Lichtung drängten sich gewaltige Schneewehen zwischen zwei riesigen, eisbedeckten Felsen.
Sonnenlicht
.
Ihr Herz schlug einmal, zweimal, dann war sie wieder in der Küche und versuchte noch immer, Matthias eine Erdbeere zu entringen.
So desorientiert sie durch die überraschende Berührung und die damit verbundene Vision auch war, konnte sie sein Handgelenk anscheinend doch nicht loslassen. »Ist das wirklich nötig?«
»Wenn Sie etwas wollen, dann ja.« Er schien nicht zu bemerken, dass etwas mit ihr nicht stimmte. In bewusster Demonstration von Stärke führte er die Erdbeere zum Mund und biss so hinein, dass Saft und Sahne über seine Handfläche auf ihre Finger rannen.
Jessa ließ ihn los, doch nun ergriff er sie am Gelenk und führte ihre Hand an seinen Mund. Der Schock, so rasch wieder zu sich gekommen zu sein, verblich, als er ihr mit der Zunge einen Finger nach dem anderen ableckte. Sie atmete vernehmlich, als er die Kuppe ihres kleinen Fingers in den Mund nahm und sanft daran saugte.
»Was machen Sie da?«, hörte sie sich fragen, und ihre Stimme klang so leise und entrückt, als käme sie aus dem fernen Winterwald.
»Schmecken.« Seine freie Hand umspannte ihre Kehle und schob sich dann in ihren Nacken. »Möchten Sie mehr?«
Er meinte nicht die Erdbeeren, und das war gut, denn an die konnte sie nicht denken. Als sie gerade »Nein« zu sagen versuchte, erreichte seine Zunge die Mitte ihrer Handfläche und glitt darüber, und dann drückten seine Zähne sich in ihren empfindlichen Daumenballen.
Dieser Liebesbiss befreite etwas in ihr, eine heiße, starke, katzenhafte Sehnsucht, die aus ihrer Brust kam und sich langsam abwärtsschob, um sich in ihren Schoß zu schmiegen, scharfe kleine Klauen in die angespannten Muskeln ihrer Oberschenkel zu schlagen und ein breites Seidenband des Begehrens zwischen ihnen zu knüpfen.
Seine Hand zupfte an ihrem Genick und drängte sie vorwärts. Er würde sie gleich küssen.
Sie sah sich schon die nun unerträglich gewordene Distanz zwischen ihnen überwinden, sah bereits vor sich, wie sie seinen Mund an die steif pochende Brustwarze über ihrem Herzen drückte. Sie sah sich ihre Bluse aufreißen, damit er an ihre Brust kam und richtig daran saugen konnte, während sie sein goldblondes Haar in ihre kleinen Fäuste nahm –
Sein Gesicht verschwamm vor ihren Augen, als er näher kam, und die Wärme seines Atems strich über ihre Lippen. »Jezebel …«
Dieser Name und all seine Geheimnisse trafen sie wie ein Schlag. Sie zuckte zusammen, kam auf die Beine und hätte fast den Stuhl umgeworfen, so schnell wich sie zurück. Einen schwankenden Schritt später hatte sie bereits einen guten Meter Abstand gewonnen und eine Festung der Vernunft zwischen ihnen errichtet.
Wenn Jessa etwas verstand, dann das
Zwielicht
. Es belog sie nie, zeigte ihr nie etwas anderes als die kalte,
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