Dunkle Burg
gegenüber und blickte stirnrunzelnd in das kleine Tal hinab. Sie sah unberührt aus, das Banner des Ordens wehte vom Bergfried, und der abgeholzte Hang unter der Burg, die Erdarbeiten, das Tor und der Graben waren so, wie ich sie in Erinnerung behalten hatte.
Nathans Lager zu unseren Füßen war wie auf einem Plan rechtwinklig und mit Gassen zwischen den Zeltreihen angeordnet. Ich konnte es gut beobachten, und da es später Fragen geben würde, suchte ich mir alles einzuprägen.
Die Truppen waren Fußvolk, soweit ich feststellen konnte. Keine Weideplätze, keine Reiter. Er musste seine Kavallerie zur Bewachung der Passhöhe und zum Patrouillieren der Straßen und Nachschubwege eingesetzt haben. Wahrscheinlich hatte er auch eine vorgeschobene Einheit talabwärts nach Westen geschickt, um Meldung zu machen und die Straße zu sperren, wenn Streitkräfte des Ordens zum Entsatz der Feste talaufwärts zogen. Doch auch ohne Reiterei blieben genug Soldaten übrig. Ich schätzte die Zahl des Fußvolks im Tal, das seine Sturmtruppen umfasste, auf fünftausend Mann. Für mehr war nicht genug Raum. Der Rest musste oben am Pass lagern.
»Bei Tageslicht kommen wir nicht durch«, sagte Silvus.
»Ich fürchte«, meinte Schwester Berichterstatterin, »dass wir ohne ein Ablenkungsmanöver seitens der Garnison überhaupt nicht durchkommen werden.«
Ich richtete mich auf. »Meister Rookwods Männer befinden sich irgendwo im Bergland. Sie wollten die Lager überfallen. Wenn sie hier angreifen, kann die Priorin gleichzeitig einen Ausfall unternehmen.«
»Ich rechne schon in dieser oder der folgenden Nacht damit«, meinte die Schwester. »Wir müssen uns bereithalten.«
»Zunächst brauchen wir die Erlaubnis zu bleiben«, sagte Silvus. Er wandte sich dem Wächter zu und versuchte ihm den Gedanken klarzumachen.
Es dauerte eine Weile. Die Unterirdischen messen die Zeit nicht nach der Sonne. Glücklicherweise konnten sie verstehen, dass wir nicht bei Tageslicht hinausgehen wollten. Weit schwieriger war, ihnen die Überlegung begreiflich zu machen, dass wir es bei Nacht versuchen würden, wenn eine Art Gefecht im Gang sein würde. Ich weiß nicht, ob sie es verstanden, trotz aller Erklärungen. Ein Bote ging zurück in den Bau und kam nach geraumer Zeit zurück. Er starrte den Türwächter an und teilte ihm eine Botschaft mit, die wir nicht lesen konnten. Jedenfalls waren sie bereit, uns zu erlauben, dass wir einstweilen beim Ausgang warteten und ruhten. Auch durften wir gehen, wann es uns zweckmäßig schien, doch würden wir bis dahin unter Bewachung bleiben.
Wir zeigten ihnen den Proviant, den wir noch in unseren Rucksäcken hatten. Von Wurst und Käse hielten sie offenbar nicht viel, waren aber gern bereit, unseren Zwieback und getrocknete Aprikosen als Tauschware anzunehmen. Die Nüsse – Schwester Berichterstatterin hatte Haselnüsse mitgebracht – waren besonders willkommen. Die schlaflose Nacht war nicht spurlos an mir vorübergegangen und ich breitete meinen Umhang und die Deckenrolle am Boden aus und legte mich schlafen. Der Wächter starrte einen seiner Gefährten an, der fortging und bald darauf mit drei dicken weichen Schlafunterlagen wie Matratzen zurückkam. Wir dankten ihnen, so gut wir konnten. Silvus und ich schliefen – und Schwester Berichterstatterin beobachtete das Tal.
Sie ließen mich schlafen. Als ich aufwachte, klebte Silvus am Guckloch, während Schwester Berichterstatterin schlief. »Es ist Spätnachmittag«, sagte Silvus. »Wenn du ein Bedürfnis hast, gehst du ein Stück den Stollen hinunter. Dort ist gleich daneben ein Abtritt.«
Ich hatte. Als ich zurückkam, spähte er noch immer hinaus. »Nathan muss die Truppe scharf herangenommen haben, um zeitig hierher zu kommen«, bemerkte er. »Die Leute sind müde. Niemand gräbt, und mit dem Aufstellen der Zelte lassen sie sich Zeit. Die Einheiten auf Wache sehen staubig und erschöpft aus.«
»Schwester Priorin kann das noch besser beobachten«, bemerkte Schwester Berichterstatterin. Sie setzte sich auf, und wir wandten uns höflich ab, während sie aus den Decken kroch und ihr Habit anlegte.
»Dann würde es heute Nacht günstig sein«, sagte ich.
»Sieh selbst«, erwiderte Silvus. »Das Tageslicht wird bald schwinden, und ich bezweifle, dass sie später weniger auf einen Überfall gefasst sein werden als jetzt. Geben wir ihm noch einen oder zwei Tage, dann wird Nathan das Lager durch Wall und Graben sichern lassen.«
Die Schwester spähte durch
Weitere Kostenlose Bücher