Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
Zeit immer fester. Ja, er war bereit ihr zu folgen, zu kooperieren. Aber wobei? Die Antwort lag in den Kristallzeichnungen einen Stock tiefer.
Als er einer besonders juwelenverbrämten Dame das Glas nachfüllte, wandte diese sich mit einem missbillig enden Blick an die Gastgeberin:
„Also Jayata, dass du immer noch diese grauenhafte Brosche trägst. Dein Mann hat diese wertlosen braunen Diamanten doch nur für seine Hobbyexperimente gesammelt und sicher nicht als Schmuckstück für seine Frau. Du hast doch weiß Gott für so einen Anlass andere Stücke im Tresor. Uns gegenüber braucht du doch k ein Understatement zu pflegen.”
Sie gluckste anzüglich. Tom sah sofort, wie sehr Jayata diese Bemerkung verletzt hatte. Aber ehe sie etwas entgegnen konnte, beugte er sich von hinten vo r und sagte zu der Juwelendame:
„Madam, dieser Stein ist ein Diamant vom Typ II. Er ist äußerst selten; tatsächlich fallen nur ein Prozent des Weltvorkommens in diese Klassifikation. Wäre er optisch klar, würden Sie ihn mit großer Wahrscheinlichkeit im Tower von London oder im Smithsonian bewundern können. Von allen Diamanten, die wir heute Abend hier sehen, ist er, vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, der absolut Außerordentlichste.”
Die harten Augen hinter den Schlupflidern weiteten sich und starrten ihn überrumpelt an. Der putzig geschminkte Altweibermund blieb zwischen den rosa gepuderten Wangen halb geöffnet stehen. Tom richtete sich auf, nickte ihr zur Bekräftigung noch einmal liebenswürdig zu und trat einen Schritt zurück. Jayata warf den Kopf in den Nacken und lachte laut auf. Das Lachen klang für eine so alte Dame unangebracht glücklich und verstörend jung. Die Gespräche der Gäste wurden leiser, Bestecke senkten sich, Gläser blieben auf halbem Weg zum Munde stehen, alle blickten auf die Gastgeberin. Tom sah, wie sie den Kopf senkte, kurz durchatmete und entschlossen aufstand, um etwas zu sagen, was keinen Aufschub duldete. Sie klopfte an ihr Glas und es wurde still.
„Liebe Freunde, dieser junge Mann …” hier wandte sie sich lächelnd an Tom „… hat sich nicht nur wie ein Gentleman zur Ehrenrettung meines Schmucks eingesetzt, wofür ich ihm herzlich danke. Er hat mir außerdem auch das perfekte Stichwort gegeben, über den Mann zu sprechen, zu dessen Andenken wir heute in einem Land zusammengekommen sind, das er nie betreten hat. Robert von Wolf, mein Ehemann, mit dem ich die dreizehn besten Jahre meines Lebens verbracht habe. Er wurde heute vor 100 Jahren, am 28. September 1895, in Berlin geboren. Der erste Weltkrieg und seine wirtschaftlichen Folgen verhinderten, dass er seiner genialen naturwissenschaftlichen Begabung folgend, eine akademische Laufbahn als Forscher einschlagen konnte. Stattdessen gingen wir in ein Land, das weit genug von unser beider Vergangenheit entfernt war, um einen Neuanfang zu wagen. In Namibia, dem schönsten Land Afrikas, fanden wir eine neue Heimat. Wir kamen als Fremde in ein Land, in dem wir uns zwar kraft eines Kaufvertrages niederlassen durften, das aber deshalb noch lange nicht das Unsere war.”
An dieser Stelle machte sich eine gewisse Unruhe rund um die Tafel breit. Sitzhaltungen wurden geändert, Hände nestelten an Servietten, Täschchen und Uhren. Einige Gäste lehnten sich vor, andere sanken weiter in ihre Stühle zurück. Vielsagende Blicke wurden getauscht.
„Robert und ich waren uns dieser Tatsache bewusst und wollten ihr Rechnung tragen. Wir waren willens und in der Lage, fernab von Politik und behördlicher Bevormundung unsere afrikanischen Nachbarn gleichberechtigt zu behandeln und an materiellem Wohlstand, aber viel wichtiger noch, an einer modernen Bildung teilhaben zu lassen. Wir waren Außenseiter, angefeindet von der Mehrheit der weißen Siedler und der Kolonialelite in Südafrika. Aber wir fanden auch Freunde, Gleichgesinnte beider Hautfarben, die sehr wohl verstanden, dass die Zukunft nur miteinander und nicht gegeneinander zu gestalten war. Diejenigen, die aus diesem Freundeskreis noch am Leben sind, sitzen heute selbst hier; viele, die nicht mehr unter uns sind, werden durch ihre Kinder oder sogar durch Enkel vertreten. Mein Mann Robert unterrichtete mit großer Begeisterung die Grundlagen von Physik und Chemie, immer mit einem wachen Auge für Schüler mit besonderer Begabung, denen das Studium ermöglicht werden sollte, das ihm selbst versagt geblieben war. Leider durfte er nicht mehr erleben, dass einer seiner Schüler
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