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Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Titel: Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.L. Jannings
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Gleichberechtigung, jedenfalls solange diese sich auf Ziele konzentrierte, die nicht mit den seinen kollidierten. War Jayatas Mutter noch eine makellose Erscheinung, ganz im Sinne des weiblichen Schönheitsideals des vergangenen Jahrhunderts, brach seine Tochter schon durch ihre äußere Erscheinung mit der Konvention und schlug ihrem nicht ganz so vornehm gebauten Erzeuger nach. Gut einen Kopf größer als die meisten ihrer Altersgenossinnen, war sie von athletischem Körperbau, mit langen aber wohlgeformten Gliedern und Händen, deren Fingernägel bei genauerer Betrachtung allerdings zu wünschen übrig ließen. Ihr Gesicht war etwas zu großflächig und zu jeder Jahreszeit von einer gesunden Farbe, die der gängigen Mode nicht entsprach. Beherrscht wurde es von einem Paar fluoreszierend grüner Augen und einer Nase von ägyptischer Perfektion, die durch den strengen Bob des brünetten Haares gekonnt in Szene gesetzt war. Kurz, Jayata war keine Schönheit im herkömmlichen Sinn. Bei den meisten Herren im passenden Alter fiel sie auf Gesellschaften beim ersten Sortierungslauf durch. Ihrem Vater war das nur recht. Harry begegnete romantischen zwischenmenschlichen Gefühlen mit großem Misstrauen und betrachtete sie als gefährliche evolutionäre Fremdbestimmung, welche die selbstgesteuerte Schaffenskraft eines Menschen heimtückisch untergraben konnte. Dennoch hatten diese evolutionären Kräfte letztendlich auch über ihn gesiegt. Er liebte sein Kind insgeheim abgöttisch, und es kostete ihn viel Selbstbeherrschung, sie nicht nach Strich und Faden zu verziehen. Die wenigen jungen Männer, die Jayata nähergekommen waren, suchten vor seiner bärbeißigen Art das Weite. Harry sah das wiederum als Bestätigung, dass die junge Generation aus Schwächlingen bestand, von denen keiner den Mumm hatte, ihm Paroli zu bieten, und die deshalb seine Tochter auch nicht verdienten. Wenn er es recht bedachte, auch nicht sein hart verdientes Geld, das nun einmal mit ihrer Person verbunden war.
    Seit neuestem gab es aber einen Lichtblick im Wannseegrau der Spekulantenvilla, und das war Alize, die Nichte des Gärtners. Im gleichen Alter wie Jayata, arbeitete sie als Schneiderin in den Babelsberger Filmstudios und träumte von einer Karriere als Kostümdesignerin in Hollywood. Jayata fand diesen Plan ungeheuer aufregend und heizte nicht nur die Phantasie ihrer neuen Freundin nach Kräften an, sondern gab ihr auch Englischunterricht, damit die hohen Ziele in die Tat umgesetzt werden konnten. Alize revanchierte sich, indem sie Jayata das Berlin außerhalb des Adlon Hotels zeigte, dessen Restaurants und Bar ihr Vater als Basislager für seine geschäftlichen Operationen in Berlin nutzte. Auf einem dieser Streifzüge war sie Robert von Wolf, einem Bekannten von Alize, zum ersten Mal begegnet. Er hatte die beiden von der Straße aus an einem Fensterplatz des Café Kranzler entdeckt. Alize stieß einen erfreuten kleinen Schrei aus, wedelte mit den Armen und bedeutete ihm hereinzukommen. Er lächelte zurück, und ein paar Sekunden später sahen sie ihn durch den Zigarettenrauch des überfüllten Cafés, den Hut in der Hand, auf sie zukommen. Er war sehr groß, aber weder massig noch schlaksig und bewegte sich mit einer unterschwelligen Eleganz, der auch der etwas abgegriffene Mantel nichts anhaben konnte. Im Gegenteil, er gab ihm etwas Lässiges, etwas Abenteuerliches. Das blonde Haar war nach hinten gekämmt, und eine dicke Strähne fiel ihm in die hohe Stirn. Außerdem waren da noch zwei sehr blaue Augen, die für einen so attraktiven Mann einen ungewöhnlich ernsten Ausdruck hatten. Jayata merkte zu spät, dass sie bei der Vorstellung mit einer linkischen Bewegung aufstand. Eine Dame steht niemals zur Begrüßung auf. Sie bleibt souverän sitzen und lächelt charmant, gütig, höflich, angetan – wie zum Teufel auch immer, aber sie glotzt bestimmt nicht wie eine Stallmagd beim Auftritt von Errol Flynn. Außerdem fand sie ihre Frisur plötzlich schlecht, sie trug kein Make-up und ein altes Kostüm.
    Verwirrt plumpste sie zurück auf ihren Stuhl. Dass sie Amerikanerin war, interessierte von Wolf sehr, er stellte in passablem Englisch viele Fragen über das Leben in den Vereinigten Staaten, und Jayata wurde nach und nach ruhiger. Und dann geschah das Unglaubliche. Robert von Wolf beugte sich über den Tisch und fragte umstandslos, ob sie ihn zum Vortrag eines amerikanischen Physikers bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft begleiten

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