Dunkle Ernte
Richtung King Street laufen.«
»Mach ich«, erwiderte sie schon auf dem Weg nach unten, um das Fenster zu öffnen. Aus dem Fenster klettern, natürlich. An jedem anderen Tag der Woche hätte sie das albern gefunden.
Außendienstagent Michaels fuhr so nah wie möglich an Amandas Haus heran und parkte mit zwei Rädern auf dem Gehsteig. Es musste jetzt schnell gehen. Ziel handlungsunfähig machen und auf den Rücksitz befördern, das Fahrrad vom Geländer schneiden und in den Kofferraum werfen. Es sollte möglichst glaubhaft nach einen Fahrradunfall aussehen, denn wenn der Verdacht auf Fahrerflucht fiel, würde die Polizei nicht auf Mord schließen.
Amanda hörte, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde, und spürte, wie mit Nachdruck an dem widerspenstigen Zapfen gerüttelt wurde. Sie sah die Haustür hinter sich in den Angeln wackeln, während sie mit dem Küchenfenster kämpfte. Der verdammte Verschluss war überlackiert. Sie warf sich mit der Schulter dagegen und rechnete fast damit, dass das Glas hinausfiel und auf dem Kiesbelag im Hof zerbarst. Doch dann gaben die Scharniere nach, und das Fenster schwang auf. Vom Eingang her erklang ein metallisches Klappern, ein anderer Schlüssel wurde eingesteckt, und diesmal gab der Zapfen nach. Amanda kletterte eilig auf die Arbeitsplatte, schob sich durch die Fensteröffnung und sprang. Der Fall war tiefer, als sie gedacht hatte, und sie verdrehte sich den Knöchel, als sie aufkam. Im Haus ertönten Schritte auf der Treppe. Amanda ließ sich nicht die Zeit herauszufinden, was los war, sondern rannte zum Ende des Gartens, schwang sich über die Mauer und sprintete auf den alten VW -Golf ihrer Freundin zu. Schlüssel ins Schloss, Tür öffnen, zünden. Der Motor jaulte laut durch die verlassene Straße. Noch war nicht zu erahnen, dass sich bald dichter Berufsverkehr in die engen Straßen ergießen und zahlreiche Busse sich gefährlich nahe zwischen den historischen Gebäuden hindurchschieben würden.
Amandas Hand zitterte, als sie die Handbremse löste und mit durchdrehenden Reifen anfuhr. Weg, einfach nur weg, ganz egal, wohin, Hauptsache, weg von hier , dachte sie.
76
Hotel Imperial, Kampala, Uganda
»Wir müssen los, Jack«, sagte Archie, schwang sich den Rucksack über die Schulter und blickte sich noch einmal prüfend im Raum um. »Sie wird es schaffen. Wenn sie zuerst ihren Rechner durchsucht haben, gilt sie nicht als direktes Ziel. Das verschafft ihr einen gewissen Vorsprung.«
Jack nickte, sagte aber nichts. Er war davon nicht überzeugt und machte sich wirklich Sorgen. Er musste irgendwie einen Weg finden, in Erfahrung zu bringen, ob es ihr gutging.
Als sie nach unten kamen, war niemand an der Rezeption. Archie zog eine Fünfzigdollarnote aus dem Bündel in seiner Hosentasche, legte sie auf den Ordner und beschwerte sie mit dem Zimmerschlüssel. Zu warten hatte keinen Sinn. Sie traten auf die Straße hinaus, in die glühende Sonne, mitten in leuchtende Farben und wimmelndes Marktgeschehen hinein. Archie winkte ein Taxi heran, und sie stiegen ein.
»Das Telefon«, sagte Archie plötzlich. »Wir müssen es wegwerfen. Kann sein, dass es uns verrät.«
Jack sank die Kinnlade herunter. Die Furcht, nicht mehr mit Amanda in Kontakt treten zu können, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Archie sah auf die Uhr und warf ihm ein Bündel Scheine hin.
»Hier. Gegenüber ist ein Handystand. Kauf dir ein neues. Schnell.«
Jack öffnete die Tür und stieg aus.
Eine Sekunde später ging die Bombe hoch.
Nick Clarke war überrascht über die Wucht der Explosion. Es war lange her, dass er zuletzt aus unmittelbarer Nähe zugesehen hatte. Dass diese Bomben russischer Bauart so durchschlagskräftig waren, hatte er ganz vergessen. Das Auto hob sich in die Luft und zerbarst in einem blauroten Feuerball, um mit einem markerschütternden Knall auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu landen.
Er ließ seinen Blick über das Chaos schweifen. Im Wagen konnte niemand überlebt haben. Menschen strömten heran, langsam, die Sinne vom Schock der Explosion betäubt. In seinem Magen regte sich Übelkeit. An eines hatte er nicht gedacht. Der Taxifahrer. Nun, mit Kollateralschäden musste man immer rechnen. Sir Clives Plan war lehrbuchmäßig gewesen: das Taxi mit einer ferngezündeten Bombe ausstatten, dann den einheimischen Fahrer dafür bezahlen, dass er das Ziel abholte. In aller Regel merkte das Ziel nichts, sondern ging davon aus, ein zufällig des Weges kommendes Taxi
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