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Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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Schluck von dem Bier, das Spike ihm hingestellt hatte.
    »Dein Pa war ein verdammt guter Soldat«, sagte Spike und betrachtete Jack, seinen Bart, seine gebeugte Haltung. Er ließ sich vom äußeren Eindruck nicht täuschen. Hinter dem provozierend ruhigen Blick schwelte die Wut. Der junge Mann war eine tickende Zeitbombe.
    Jack schloss für einen Moment die Augen und erwiderte nichts.
    »Ist sonst noch jemand bei der Explosion umgekommen?«
    »Der Taxifahrer. Mehrere Passanten sind wahrscheinlich verletzt worden.«
    Spike nickte. »Alles okay mit dir? Soll ich einen Arzt holen?«
    »Nein«, entgegnete Jack. »Ich muss nach Hause. Dinge erledigen. Klappt das mit den Tickets und dem Pass?«
    Spike nickte erneut. »Ich brauche nur ein Foto von dir«, sagte er seufzend. Es war genau wie mit Archie. Die gleiche Willensstärke, die gleiche Starrköpfigkeit. Er machte sich Sorgen um den Jungen. Die Sache könnte eine Nummer zu groß für ihn sein. »Weißt du, wer es war?«
    »Ja.«
    »Und du meinst, du kannst sie kaltstellen? Obwohl sie sogar deinen Pa erwischt haben?«
    Jack sagte nichts. Dass er scheitern könnte, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Seit er seinen gepeinigten Körper zum Flughafen geschleppt hatte, in die Cessna gestiegen und hierher nach Burundi geflogen war, hatte ihn nur ein einziger Gedanke angetrieben, ein nicht unterdrückbarer Drang nach Rache.
    Spike spürte seine Entschlossenheit. Es hatte keinen Sinn, ihn umstimmen zu wollen. »Gibt es zu Hause jemanden, der dir helfen kann?«
    Jack schüttelte den Kopf und hielt dann inne, um in seiner Jackentasche nach der Visitenkarte mit Monsieur Blancs Briefkastenadresse zu wühlen. »Möglicherweise«, sagte er und fand die Erinnerung an den fettleibigen Chinesen seltsam beruhigend.
    Spike war nicht überzeugt. »Ich will dir was über deinen Pa erzählen, mein Sohn«, sagte er und zündete sich eine Zigarette an. Wenn er den jungen Mann schon nicht umstimmen konnte, würde er ihm wenigstens einen guten Rat mit auf den Weg geben. »Archie war ein verdammt guter Soldat. Ein miserabler Spion, aber ein verdammt guter Soldat. Kennst du den Unterschied, Jack? Zwischen einem Spion und einen Soldaten?« Jack zuckte die Achseln, und Spike zog an seiner Zigarette. »Ein Soldat birgt immer zwei Menschen in sich. Den, der kämpft und tötet. Und den, der nach Hause kommt, der sich um seine Frau und seine Kinder sorgt. Den Kämpfer lässt er auf dem Schlachtfeld zurück, das geht gar nicht anders. Man kann ihn nicht mit heimbringen.« Er hielt inne und spuckte nachdenklich auf den Boden. »Ein Soldat hat zwei Leben, die er streng voneinander trennt, um nicht durchzudrehen. Ein Spion dagegen ist etwas völlig anderes.« Er beugte sich zu Jack vor und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ein Spion lebt zwei Leben gleichzeitig. Parallel. Geht nicht anders. Ist sein Job. Man muss eiskalt sein und ein richtig widerliches Arschloch, um ein guter Spion werden zu können. Ein Spion verlässt das Schlachtfeld nie.« Er lehnte sich entspannt zurück und sah Jack direkt in die Augen. »Der Mann, der deinen Pa erwischt hat, Jack, ist ein Spion. Ein Spion durch und durch.«
    Jack rieb sich mit den Händen über Gesicht und Augen. Seine Nase fing an zu jucken. Er wollte jetzt keine langen Vorträge hören.
    »Was bist du, Jack? Ein Spion oder ein Soldat? Wenn du die Leute zur Strecke bringen willst, die das getan haben, musst du lernen, mit offenen Augen zu schlafen. Du wirst das Schlachtfeld nicht mehr verlassen können. Nicht bis der Schattenmann tot ist. Nicht bis du ihn unter die Erde gebracht, auf seinem Grab getanzt und dafür gesorgt hast, dass er sich mit seinen schmutzigen Fingern nicht wieder herauswühlt.«
    Jack nickte und deutete mit dem Kopf auf das Telefon hinter der Bar. Er dachte an Amanda. »Kann ich mal telefonieren?«

79
    Piccadilly Circus, London, am nächsten Tag
    Amanda hatte in den letzten zehn Minuten mindestens zehn Mal auf ihre Uhr gesehen. Seit drei Uhr nachmittags stand sie jetzt auf diesem Platz und fühlte sich schrecklich. Die Nacht hatte sie frierend im Auto verbracht, um früh am Morgen nach London weiterzufahren, im Hinterkopf beständig die Angst, dass jemand sie beobachtete und nur darauf wartete, sie zu packen.
    Den Golf hatte sie in einem Vorort stehen lassen, in einer Wohnstraße in der Nähe von Mile End. In einem schmuddeligen Lokal hatte sie sich einen fettigen Snack bestellt und ihr restliches Kleingeld in Tee investiert, bis es

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