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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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wanderte.
    Bleib ganz ruhig, Mädchen.
    »In die Sauna«, antwortete ich und verzog die Mundwinkel zu etwas, das im Licht einer Straßenlaterne vielleicht als Lächeln durchgehen konnte. »Mir tut alles weh, und ich habe vor, die nächste Stunde im Dampfbad zu verbringen. Wollen Sie mitkommen?«
    Joesbury sah nicht überzeugt aus. »Sehr verlockend«, meinte er. »Aber ich hab schon was vor.«
    »Na, dann viel Spaß«, gab ich zurück und wandte mich wieder meinem Auto zu, während mein Blick vor und zurück über die Straße huschte. Niemand sonst in Sicht. Er und ich schienen allein hier draußen zu sein. »Und übrigens«, setzte ich hinzu, »wenn ›mich im Auge behalten‹ eine verdeckte Aktion sein soll, dann sind Sie in so was echt nicht gut.«
    Ich griff nach der Wagentür und hatte so gut wie keine Ahnung, was ich tun würde, wenn ich erst im Auto saß. Joesbury war kein Idiot. Wenn er zuließ, dass er gesehen wurde, dann war er nicht allein. Bestimmt war noch jemand anderer hier, der sich nicht sehen ließ. Ich saß in der Falle. Wieder blickte ich die Straße hinauf. Immer noch nur wir beide. In meinem Rucksack steckte ein Schweizer Taschenmesser. Umbringen würde es ihn vielleicht nicht, aber es würde ihn ausbremsen, und ich hätte eine Chance abzuhauen.
    Dann fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter und hätte fast losgeschrien, so sehr stand ich unter Strom.
    »Ehrlich gesagt hat das, was ich vorhabe, mit Ihnen zu tun«, sagte er. »Ich habe Befehl, mich zu vergewissern, dass mit Ihnen alles okay ist.«
    Winzige Regentropfen hatten sich auf seinen Augenbrauen gesammelt. Ich sah zu, wie einer davon auf seine Wimpern fiel und dort einen Moment lang schimmerte, ehe er ihn fortblinzelte. »Es ist alles okay«, sagte ich. »Danke. Aber im Augenblick täte ein bisschen Freiraum gut. Und ich fühle mich wirklich beschissen.«
    »Ich massiere Ihnen den Nacken«, versprach er, nahm mir den Autoschlüssel aus der Hand und schloss den Wagen wieder ab. »Kommen Sie.« Er lotste mich auf sein Auto zu, hielt mir die Beifahrertür auf. Ich stieg ein und beschwor mich im Stillen, dass ich nicht in Panik geraten durfte. Wenn Joesbury Verdacht schöpfte und sehen wollte, was in meinem Rucksack war, war alles vorbei.
    Dann würde ich eben später aufbrechen. Ich würde doch das Fahrrad nehmen, würde die Nacht durchfahren. Oder morgen früh einen Bus oder Zug nach Portsmouth nehmen. Ich konnte es immer noch schaffen. Ich musste nur ruhig bleiben.
    Das Innere des Wagens roch nach feuchtem Haar und feuchten Kleidern. An der Kreuzung Wandsworth Road schaltete Joesbury die Stereoanlage ein, und ich wappnete mich für den üblichen Ansturm rhythmischer Clubmusik. Stattdessen begann eine sanfte Männerstimme vom Fliegen zu singen.
    »Das ist ja Westlife«, stellte ich nach ein paar Sekunden fest.
    Joesbury sah mich nicht an, doch die Furche an seinen Mundwinkeln wurde tiefer. »Hab ich mir von Dana geborgt«, sagte er.
    Trotz allem hätte ich fast gelacht.
    »Was habe ich auf dem Revier alles verpasst?«, erkundigte ich mich.
    »Der Direktor von St. Joseph’s war gerade da, als ich losgefahren bin«, erzählte Joesbury. »Heißt Edward Seaton. War durchaus kooperativ. Er und Gayle haben die Telefonkette der Schule genutzt. Das ist so eine Art Liste –«
    »Ich weiß, was eine Telefonkette ist«, unterbrach ich. »Man ruft den Ersten auf der Liste an, der ruft dann den Nächsten an, und so weiter.«
    »Richtig«, erwiderte Joesbury. »Sie gehen zehn Jahre zurück, kontaktieren jede Familie, die Kinder auf die Schule geschickt hat. Zuerst überprüfen sie, ob mit den Müttern noch alles okay ist, und dann warnen sie sie, in nächster Zeit besonders vorsichtig zu sein.«
    »Wird das nicht eine Panik auslösen?«, gab ich zu bedenken, während mir klar wurde, dass Joesbury schneller fuhr als erlaubt war, und schon zweimal auf die Uhr geschaut hatte.
    »Ja, darauf habe ich auch hingewiesen«, sagte er, als wir auf eine Ampel zuhielten. Er trat aufs Gas und bremste dann scharf, als sie umsprang. Ich ruckte nach vorn in den Sicherheitsgurt, und meinen lädierten Rippen sagte das überhaupt nicht zu.
    »Und?«, fragte ich.
    »Und Tully hat sich zu ihrer ganzen Größe von einsdreiundsechzig aufgerichtet, hat in den Zetermodus geschaltet und wollte wissen, ob sie hier eigentlich die Einzige wäre, der die Bedeutung des Wortes ›Doppelmord‹ geläufig sei. Woraufhin ich beschlossen habe, den Abend freizunehmen.«
    Den Mumm dieses

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