Dunkle Gebete
des Teams.
»Benn.« Tulloch schaute rasch auf ihre Notizen hinab. »Charlotte Benn. Verheiratet mit Nick Benn, Strafverteidiger.«
Tullochs Stimme wurde immer leiser. »Zwei Söhne«, glaubte ich sie als Nächstes sagen zu hören. »Felix, sechsundzwanzig, und Harry, zweiundzwanzig. Ihre Tochter Madeleine ist siebzehn und geht noch … Lacey, was zum …? Mein Gott, fangt sie auf!«
Plötzlich entstand heftige Bewegung um mich herum. Irgendjemand – Stenning, glaube ich – hielt mich aufrecht. Ich hörte das Scharren eines Stuhles und fühlte, wie ich langsam daraufgesetzt wurde. Die schwarze Wolke in meinem Kopf begann sich zu lichten.
Ich befand mich auf der anderen Seite des Raumes, ganz nahe bei der Tür, ohne dass ich mich daran erinnern konnte, aufgestanden und dort hingegangen zu sein. Mizon stand vor mir und hielt mir einen Plastikbecher mit Wasser hin. Automatisch nahm ich ihn. Tulloch hatte sich neben Mizon hingehockt. Ich hielt den Blick fest auf den Boden gerichtet.
»Ich lasse Sie von jemandem nach Hause fahren«, verkündete Tulloch. »Sie sind wieder krankgeschrieben, bis ich etwas anderes sage.«
»Nein«, wehrte ich ab, lauter, als ich es beabsichtigt hatte. Ich atmete tief durch und senkte die Stimme. »Es geht schon wieder. Geben Sie mir nur einen Moment Zeit, bitte. Ich suche mir ein ruhiges Zimmer.«
Tulloch öffnete den Mund, um zu widersprechen, dann sah sie auf die Uhr. Sie hatte keine Zeit, das Kindermädchen für mich zu spielen. »Gehen Sie nach nebenan und setzen Sie sich hin«, wies sie mich an. »Pete, gehen Sie mit.«
Ich stellte fest, dass ich aufstehen konnte. Also heftete ich den Blick fest auf die Tür und schaffte es bis dorthin. Stenning war an meiner Seite.
»Also, es sollte niemanden überraschen, dass Charlotte Benns Kinder auf die St. Joseph’s School in Chiswick gegangen sind.« Die meisten Köpfe hatten sich wieder Tulloch zugewandt. Allerdings nicht der von Joesbury. Er beobachtete mich noch immer.
»Es gibt eine Verbindung zwischen diesen Familien«, fuhr Tulloch fort. »Etwas, das über Kinder in derselben Schule hinausgeht. Wir müssen herausfinden, was es ist. Ich habe Gayle gebeten, das zu übernehmen.«
Die Tür schloss sich hinter uns, und Stenning und ich gingen die paar Meter den Flur hinunter zum nächsten Büro.
»Kann ich irgendwas für Sie tun?«, fragte er, als ich an meinem Schreibtisch saß.
Ich schüttelte den Kopf und deutete mit einer Geste auf die Tür. »Gar nichts, es geht schon. Sie müssen zurück.«
Stenning widersprach nicht. »Sicher?«, fragte er, doch er wandte sich bereits zum Gehen.
»Pete.« Kurz bevor die Tür sich schloss, hielt ich ihn zurück. »Das zweite Opfer, Amanda Weston – die hat doch früher in London gewohnt, nicht wahr?«
Stenning nickte knapp und ungeduldig. »Als sie mit ihrem ersten Mann verheiratet war«, bestätigte er. »Ist auch wirklich alles okay?«
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Alles bestens. Na los, Sie können mir später alles erzählen.«
Ich ließ Stenning ein paar Sekunden Zeit, um wieder in den Einsatzraum zurückzukehren, ehe ich mir mit beiden Händen übers Gesicht fuhr und mir nachdrücklich sagte, dass ich mich konzentrieren musste. Dann schaltete ich meinen Computer an.
Auf HOLMES werden sämtliche ernsthaften Nachforschungen dokumentiert und weiterverfolgt, die die Polizei von Großbritannien anstellt. Als ich noch Streifenpolizistin gewesen war, war mein Talent, Informationen im Netz zu finden und zu verarbeiten, bemerkt worden, und man hatte mich zu einem vierwöchigen Fortbildungskurs geschickt. Ich kannte mich mit dem System sehr gut aus, und nachdem ich bedingt für diensttauglich erklärt worden war, machte ich mich daran, all die unzähligen Details einzugeben, die bei Abschluss jeder größeren Ermittlung erfasst werden mussten. Da waren eine Menge Dinge dabei, die ich noch gar nicht gelesen hatte.
Die erste Datei, die ich öffnete, war die der Familie Jones. Geraldine Jones, das erste Opfer, war mit David Jones verheiratet gewesen, Fondsmanager in der Leadenhall Street. Sein Verdienst lag mutmaßlich im Bereich von einer halben Million im Jahr, einschließlich Bonuszahlungen, und sie hatten in einem sehr schönen Haus am Fluss in Chiswick gewohnt. Sie hatten zwei Söhne, Jacob, sechsundzwanzig Jahre alt und Assistenzarzt, und Joshua, der noch studierte.
Jones. So ein alltäglicher Name.
Irgendjemand hatte mit ungewöhnlicher Effizienz eine Datei für das letzte Opfer
Weitere Kostenlose Bücher