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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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lasen, verriet uns, dass ihr Bruder, von dem wir gewusst hatten, dass er ein Dieb war, ein größerer Dieb war, als wir gedacht hatten; vielleicht hatte sie sich das alles aber auch nur ausgedacht, wie manche von den anderen Sachen, die da standen.
    May Lynn schrieb über ihren Bruder: »Eigentlich sollte ich das nicht zu Papier bringen, denn für die Familie ist es ein Skandal.« Aber sie tat es trotzdem, schließlich war es ihr Tagebuch, und da konnte sie alles reinschreiben. Außer ihr und dem Lampenschein würde das niemand zu sehen kriegen.
    Über Jakes Diebereien erzählte sie Dinge, die ich nicht erwartet hätte. Sie sagte, Jake hätte ihr etwas von dem Geld abgegeben, das er klaute. Auch ihr Daddy bekam etwas ab, und dass sie sich immer freute, wenn Jake sie besuchte, nicht nur weil sie ihren Bruder liebte, sondern weil es ihr gefiel, dass er Geld hatte. Sie glaubte, dass er ihr bald mehr geben würde als nur das bisschen für Parfüm und Kino; vielleicht sogar genug für neue Kleider und einen Busfahrschein nach Hollywood.
    Im Tagebuch stand, Jake hätte sich meistens auf Tankstellen und kleine Läden konzentriert, bis er sich mit einem Partner namens Warren Cain zusammentat, und danach traute er sich plötzlich mehr. Sie kamen in einen kleinen Ort mit einer Bank, und er und Cain gingen rein und raubten sie mit vorgehaltener Pistole aus, sprangen in den Wagen und fuhren davon. Hinterher versteckten sie sich hier unten in den Flussauen. Warren Cain wurde nicht mehr erwähnt, aber ein paar Seiten später schrieb May Lynn, dass Jake, bevor er lungenkrank wurde und starb, das ganze Geld, das er gestohlen hatte, irgendwo vergrub, weil ihr Daddy dauernd herumschnüffelte und versuchte, es in die Finger zu bekommen, und Jake wusste, er würde es eh nur versaufen.
    »Jake hat mir eine Karte gegeben«, schrieb sie,

    »… damit ich das Geld finden kann. Vielleicht ist er ja auch verrückt, und nichts von dem, was er sagt, ist wahr, und vielleicht ist das Geld ja auch schon weg. Und vielleicht übertreibt er auch, wenn er sagt, dass ich mich in acht nehmen soll. Ich hab ihn gefragt, vor was, und da hat er gesagt, dass ich nicht umgebracht werde. Als ich ihn dann fragte, wer oder was das denn tun sollte, hat er die Augen nach oben verdreht, als würde etwas an der Decke stehen. Anscheinend stand da auch was. Der Todesengel, so wie es aussieht, denn keine Minute später wurden seine Augen ganz glasig, und da merkte ich, dass er nicht mehr atmete und tot war.
    Wenn das Geld wirklich da ist, werde ich versuchen, es zu finden, und damit nach Hollywood gehen. Gott möchte offenbar, dass ich das Geld bekomme, sonst hätte er nicht zugelassen, dass mein Bruder Banken ausraubt und es versteckt und stirbt. Ich glaube, dass Gott mir das Geld hinterlassen hat.«
    Terry hielt inne und sagte: »Das ist eine interessante Schlussfolgerung.«
    »Für mich klingt das wie Diebstahl«, sagte ich. »Und wenn Gott ihr das Geld hinterlassen hat, dann ist er auch ein Dieb.«
    »Für mich klingt das nach einem Ausweg aus diesem Drecksloch«, sagte Jinx. »Und auch wenn ich normalerweise keine Diebin bin, wär ich trotzdem hinter dem Geld her wie der Teufel hinter einer verlorenen Seele, wenn ich wüsste, wo es ist.«
    »Wir können uns nach der Karte richten«, sagte Terry.
    »Was ist, wenn das nur wieder eine von ihren Geschichten ist?«, fragte ich. »Das Tagebuch ist voll davon. Und aus irgendeinem Grund fehlen sogar ein paar Seiten.«
    »Das war wahrscheinlich ihre Art, den Text redaktionell zu bearbeiten«, erwiderte Terry. »Über sich selbst zu schreiben und das in einem Tagebuch festzuhalten kann ganz schön schwer sein. Ein Stück weit befürchtet man wohl immer, dass jemand es liest.«
    »Wie zum Beispiel drei Freunde, die es aus ihrem Haus klauen«, sagte Jinx.
    »Zum Beispiel«, stimmte Terry zu. »Ich glaube, dass viel davon eher einem Roman gleicht oder einer langen Kurzgeschichte. Vielleicht wollte sie anfangs ein Tagebuch schreiben, und dann gab es einfach nicht genug Interessantes, das sie erzählen konnte.«
    Da stand allerdings einiger Unsinn drin, von wegen sie hätte großen Filmstars geschrieben, und die hätten ihr geantwortet, und wie sie ein Bild von sich eingeschickt hatte, und einem Produzenten gefiel ihr Aussehen, und er wollte, dass sie zu ihm kam. Das waren alles nur Träumereien, aber so manches davon stimmte, das wusste ich, denn ich hatte es selbst miterlebt.
    »Also gut«, sagte Terry, »wir wissen jetzt,

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