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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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auf einem so soliden rechtlichen Fundament stehen.«

5
    Wir stießen uns mit dem Boot von der Schaluppe – oder, wie ich es nenne, dem Floß – ab und paddelten ans Ufer. Nachdem wir angelegt hatten, zogen wir das Boot unter einen Baum und suchten etwas trockenes Gestrüpp zusammen, mit dem wir es abdeckten. Als Versteck taugte es nicht viel, aber was Besseres hatten wir nicht.
    Bevor wir aufbrachen, setzten wir uns unter einen Baum, holten die Karte hervor und drehten sie hin und her, um herauszufinden, was sie bedeutete. Anfangs verstanden wir nur Bahnhof. Wir konnten erkennen, wo May Lynns Haus lag, und ein paar Wellenlinien waren offenbar der Fluss, und oberhalb war eine Anhöhe, die uns bekannt vorkam. Schließlich gab es da noch zwei dickere Striche mit kleineren Strichen quer drüber. Wahrscheinlich waren das die Eisenbahnschienen. Dahinter waren ein paar Höcker eingezeichnet, und darunter stand malcolm cuzins . Weder die Höcker noch der Name sagten uns irgendwas.
    Also stapften wir weg vom Fluss und den Auen, zurück zum Haus der Lynns. Dann machten wir einen Bogen drumherum, Richtung Wald.
    Der Wald war dicht, und wir brauchten eine Weile, um uns da durchzuschlängeln und auf einen großen Hügel raufzusteigen. Schließlich erreichten wir die Eisenbahnschienen, die aus den Flussauen kamen, und folgten ihnen, bis wir vor einem Zuckerrohrfeldstanden. Es war Hochlandzuckerrohr und nicht so gut wie das aus dem Tiefland, aber schlecht war es deswegen nicht. Das Feld war ganz schön groß, bestimmt mehrere Morgen, und die Halme waren dick und hoch. Die Rohre waren leicht rötlich, und ich wusste, dass der Zucker darin süß sein würde.
    Ich hatte ein Taschenmesser, und damit säbelte ich einen Halm am Rand des Feldes ab, den ich dann in drei Teile schnitt. Das war nicht einfach, aber nachdem ich die Fasern abgelöst hatte, hatten wir alle etwas, auf dem wir rumkauen konnten. Es schmeckte zuckrig, und so hatten wir wenigstens was zu tun, während wir weitergingen. Wenn ich mir das so überlege, muss ich zugeben, dass wir schon einige Erfahrung als Diebe hatten, und zwar auf den Zuckerrohrfeldern und den Melonenbeeten. Zum Henker, ich war schon vor einer ganzen Weile auf die schiefe Bahn geraten, aber das wurde mir erst jetzt bewusst. Da war es doch nur natürlich, das geraubte Geld zu nehmen und für eine Reise nach Hollywood auszugeben, mit der Asche eines toten Mädchens im Gepäck.
    Wir folgten der Karte und gelangten schließlich zu einem niedrigen Kiefernwäldchen, und dahinter führten wieder die Eisenbahnschienen vorbei. Auf der anderen Seite der Schienen standen noch mehr Bäume, die meisten davon Pekannuss und Hickory. Früher waren sie vielleicht mal Teil einer Obstplantage gewesen, aber inzwischen waren sie völlig verwildert. Es wehte eine frische Brise, und wir konnten den Duft der Bäume riechen, und in den Ästen saßen, so dicht wie die Blätter, die daran hingen, Vögel, größtenteils Drosseln mit roten Flügeln.
    Ein Poltern ertönte, und die Eisenbahnschienen fingen an zu vibrieren. Wir wichen zurück unter die Kiefern, in den Schatten, und warteten. Ein Zug ratterte mit quietschenden Rädern vorbei. Ich dachte, das wäre vielleicht eine Möglichkeit, um von hier wegzukommen, indem wir auf einen Zug aufsprangen. Aber erfuhr ziemlich schnell, und keiner der Güterwagen war offen. Ich schlug mir die Idee gleich wieder aus dem Kopf – bei dem Versuch, mich an dem Zug festzuhalten, würde es mir bestimmt die Arme rausreißen.
    Trotzdem, es war ein toller Anblick, wie der Zug da an uns vorbeiraste, ein Waggon nach dem anderen, und dabei dachte ich an May Lynn. Der Zug entfernte sich von uns, und wo er auch hinfuhr, war es bestimmt besser als hier. Deshalb musste ich an May Lynn denken. Und wegen unserer Pläne natürlich.
    Ich erinnere mich, wie wir einmal bei ihr daheim auf der Matratze saßen, und sie erzählte vom Film und dass sie Schauspielerin werden wollte, und dann sagte sie etwas, das mich kalt erwischte, wie ein Stein, der mir von hinten gegen den Kopf krachte.
    »Sue Ellen«, sagte sie, »was möchtest du einmal mit deinem Leben anfangen?«
    Bevor sie das fragte, war ich nicht einmal auf die Idee gekommen, dass ich mir was anderes vorstellen konnte als das, was ich im Moment tat, aber nachdem sie mir von ihren Plänen erzählt und diese Frage gestellt hatte, kamen nach und nach bestimmte Gefühle an die Oberfläche wie tote Karpfen in einem Teich. Auf einmal wusste ich, dass mir

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