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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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mein Leben so nicht gefiel, ich wollte was anderes als das, was ich hatte, aber das Erbärmliche war, dass ich keine Ahnung hatte, wohin ich gehen oder was ich tun wollte.
    Wir lachten und redeten über dies und das, über ein paar Jungs, die wir kannten, ohne uns besonders für sie zu interessieren, und May Lynn sagte, Terry wäre ja recht niedlich, aber halt leider vom anderen Ufer. Wir kämmten einander die Haare, und ihre Mama, die erst in ein paar Monaten ins Wasser gehen würde und sich bewegte, als wäre sie ein Tier, das langsam krepierte, kochte uns etwas Maisgrütze, und wir aßen sie ohne Butter und ohne Milch. Ich weiß noch, wie ich dachte, dass es auf der ganzen Welt niemand gab, der großartiger war als May Lynn und ganz bestimmtnicht schöner. Aber was mich, während ich Maisgrütze ohne Butter und ohne Milch aß, wirklich glücklich machte, war die Tatsache, dass sie mit mir geredet hatte, als könnte ich ebenfalls Pläne haben, als stünde mir das auch zu, das und ein besseres Leben. In dem Moment glaubte ich sogar ein bisschen an mich. Nicht so sehr, dass ich gleich ein Lied darüber hätte schreiben können, aber immerhin. Ich wusste nicht, was ich tun wollte, aber mir würde schon was einfallen. Geld zu klauen und auf einem Floß mit May Lynns Asche den dreckigen Sabine River runterzufahren wäre mir bestimmt nicht eingefallen, aber immerhin wurde mir klar, dass ich mich nicht mit dem zufriedengeben musste, was ich hatte. Ich würde nicht wie Mama enden, die ihr Allheilmittel trank, sich von ihrem Mann verprügeln ließ und auch noch glaubte, das sei ebenso natürlich wie der Lauf des Flusses.
    Während ich das alles dachte, sah ich dem Zug nach, der immer kleiner wurde. Wir standen da und betrachteten die Schienen, und dann warfen wir wieder einen Blick auf die Karte, um festzustellen, dass wir immerhin wussten, wo wir waren. Alles andere war mächtig verwirrend. Was die kleinen Höcker – und davon gab es eine ganze Menge in mehreren Reihen – und der Name Malcolm Cuzins bedeuteten, wussten wir nicht.
    Während wir die Schienen überquerten und unter den Bäumen hindurchgingen, erhoben sich die rotflügeligen Drosseln in die Luft. Wie sie da über uns hinwegrauschten, sahen sie aus, als wären sie blutüberströmt. Sie erfüllten den Himmel wie eine Wolke, und dann waren sie fort.
    »Nun ja«, sagte Terry und betrachtete die Karte. »Mir will das nicht so richtig einleuchten. Für was stehen denn diese Höcker? Und auch dieser Name ist mir ein Rätsel.«
    Jinx und ich waren ebenso ratlos, und wir starrten die Karte an, als würde uns schon etwas einfallen, aber das tat es nicht. Stattdessen bekam ich allmählich leichte Kopfschmerzen.
    »Hier gibt es nichts außer ein paar Bäumen«, sagte ich. »Dort drüben ist, glaube ich, ein alter Friedhof, und dahinter liegt die Straße.«
    »An den Friedhof kann ich mich noch erinnern«, erwiderte Jinx und nickte mir zu. »Als wir klein waren, waren wir mal da oben und haben uns die Gräber angeschaut.«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Ich hab dir erzählt, dass es da spukt, und gleich würde dich ein Gespenst packen und unter die Erde zerren. Ich dachte, du machst dir in die Hose.«
    »Das war nicht sehr nett.«
    »Aber es hat Spaß gemacht.«
    Wir sahen uns eine Weile um, gaben dann auf und stapften zurück zu dem Zuckerrohrfeld, wo wir uns noch einen Halm abschnitten.
    Während wir das Mark mampften und weiterliefen, sagte ich: »Ich glaube, unsre Reisepläne sind etwas voreilig ohne das Geld. Vielleicht ist es besser, wenn wir noch ein bisschen damit warten, bevor wir May Lynn verbrennen. Wahrscheinlich kommen wir bis Gladewater, aber dann sitzen wir dort fest.«
    Eine ganze Weile lang sagte niemand was, aber ich bin mir sicher, dass ich nicht die Einzige war, die hören konnte, wie unsere Pläne wie trockenes Papier über einem Feuer knisternd in Flammen aufgingen.
    Bis wir es wieder zu unserem Boot geschafft hatten, verschwand die Sonne bereits hinter den Bäumen, und die Schatten lagen lang und finster auf der Erde und dem Wasser. Die Frösche wurden lauter, genauso wie die Grillen. Wir paddelten durch die Strömung, und als wir ans andere Ufer gelangten, stand das Wasser in dem lecken Boot schon ziemlich hoch, obwohl ich und Jinx uns mit dem Schöpfen abgewechselt hatten.
    Während wir an Land gingen und das Boot unter einen Baumzogen, sagte Jinx: »Eins ist sicher – dieses Boot taugt nix. Wenn wir flussabwärts wollen, müssen wir die

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