Dunkle Gier: Roman (German Edition)
um Hilfe bat, würde er Fragen stellen, die sie nicht zu beantworten wagte.
Schließlich trat sie schulterzuckend vor Zacarias und zog ihn auf der Plane die Treppe hinunter. Natürlich hielt sie seinen Kopf, damit er nicht auf jeder Stufe aufschlug, aber sein Körper musste auf dem Weg nach unten viele Stöße ertragen. Obwohl seine Augen geschlossen waren und er zu atmen aufgehört haben schien, war sie sicher, dass er alles wahrnahm, was mit ihm geschah, denn als sie mit Wärme an seinen Geist rührte, hatte sie das Gefühl, mit diesem wilden Teil von ihm verbunden zu sein, wie es ihr bei Tieren auch gelang. Sie konnte zwar nicht sprechen, weil sie keine Stimme mehr hatte, doch sie übermittelte Zacarias den Eindruck von Kummer und Bedauern und gab ihm zu verstehen, dass es ihr leidtat. Und dass sie Angst hatte. Sicher würde das nicht genügen, um seinen Zorn zu dämpfen, aber eine andere Möglichkeit hatte sie nicht.
Als er endlich unten auf dem Boden lag, begann sie zu graben. Die Grube musste tief genug sein, um ihn von allen Seiten mit der Erde zu bedecken, die ihn hoffentlich heilen würde. Marguarita hätte in den Werkzeugschuppen laufen können, um eine Schaufel zu holen, aber sie wollte nicht riskieren, jemandem zu begegnen. Sie log nie, nicht einmal in ihrer Zeichensprache. Bis jetzt war sie auch noch nicht sehr geschickt darin, und da nur wenige sie verstanden, schrieb sie das meiste auf. Aber dann würden ihre Hände zittern, und Cesaro würde wissen, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
Also grub sie mit den Händen. Die Erde war gut und fruchtbar, ein schwarzer Lehm, der, wie sie wusste, reich an Nährstoffen und Mineralien war. Marguarita brauchte fast den ganzen Morgen und war verschwitzt und schmutzig, als sie endlich mit der Tiefe der Grube zufrieden war. Zacarias’ Körper musste vollkommen von der Erde umgeben und bedeckt sein, wenn er richtig heilen sollte.
Marguarita zog die Plane an den Rand der Grube, wobei ihr fast ein bisschen übel wurde, weil es sich so anfühlte, als versuchte sie, einen Mord zu vertuschen. Auch diesen Tag konnte sie ihren Albträumen hinzufügen. Sie kauerte sich vor den Rand der Grube, legte fest die Hände auf Zacarias’ Schulter und Hüfte und drückte mit aller Kraft. Zum Glück war sie stark, da sie schon als Kind mit Pferden umgegangen war, aber es war trotzdem keine leichte Aufgabe, ihn in die Grube zu befördern.
Zacarias landete auf der Seite und lag da wie eine Stoffpuppe – oder eine Leiche. Marguarita presste eine zitternde, schmutzige Hand an ihren Mund und fühlte sich sehr schwach. Ein paar Minuten ruhte sie sich aus, bevor sie Zacarias mit der schwarzen Erde zu bedecken begann. Als er völlig unter ihr begraben war, ließ sie sich neben ihm auf die Knie fallen und erlaubte sich einen kleinen Panikanfall.
Wozu hatte sie sich hinreißen lassen? Die Familie de la Cruz stellte sehr wenig Ansprüche an ihre Leute. Jeder, der für sie arbeitete, war reich geworden, egal, welche Maßstäbe man anlegte. Alle besaßen eigene Ländereien, die an die der de la Cruz’ angrenzten, weil eines der Familienmitglieder das Land für sie erworben hatte. Cousinen, Tanten, Onkel – für jeden Verwandten wurde gesorgt. Väter gaben das Erbe an ihre Söhne weiter, Mütter an ihre Töchter. Und alle hatten stets gehorcht – bis auf sie, Marguarita. Durch ihren Ungehorsam hatte sie Schande über den Namen ihrer Familie gebracht, und sie zweifelte nicht daran, dass sie teuer dafür bezahlen würde.
Marguarita schob das Kinn vor und zwang sich aufzustehen. Sie war eine Fernandez, die Tochter ihres Vaters. Sie würde nicht davonlaufen, sondern bleiben und auf sich nehmen, was immer Zacarias de la Cruz als Strafe für sie vorgesehen hatte. Ein Erschauern durchlief sie, und ihr war, als strichen eisige Finger über ihre Wirbelsäule. Er wirkte fast nicht menschlich. Nicht einmal wie ein Karpatianer. Er war wirklich Furcht erregend, dieser Mann.
Aber sie konnte ihr Handeln nicht mehr rückgängig machen. Sie verstand es nicht und schob es auf ihr Mitgefühl für alles, was litt, doch das erklärte nicht, warum sie sich ihrem Herrn widersetzt hatte, nachdem er ihr befohlen hatte, ihn sterben zu lassen. Warum aber sollte er sich dafür entscheiden, in der Sonne zu verbrennen? Es war ein fürchterlicher Tod, und wie konnte er denken, dass sie dabeistehen und mitansehen würde, wie er sich umbrachte?
Er hatte ihr das Leben gerettet. Sie berührte ihre zerfetzte Kehle und
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