Dunkle Gier: Roman (German Edition)
viel mehr als ich, mein Lieber. Sie war dein Erbe, das größte Geschenk deines Vaters, aber du wolltest es ja nicht annehmen.« Unverhohlene Verachtung lag in Ruslans Stimme. »Dir wurde Größe gegeben, doch du entschiedst dich, ein Märtyrer zu sein und allein zu leiden, während ich alles habe, was ich will.«
Zacarias schlug langsam die Augen auf und lächelte, wohl wissend, in welch krassem Gegensatz seine weißen Zähne zu Ruslans halb verfaulten schwarzen standen und dass dieses kleine Detail die Eitelkeit des Vampirs noch mehr verletzen würde.
»Ich kann dich nicht fürchten, Ruslan, und ich kann auch nicht fühlen, was du mir antust. Mich interessiert nichts anderes, als dich zu vernichten. Du glaubst, du wärst mir gegenüber im Vorteil, aber in Wirklichkeit bin ich dir überlegen. Du willst deine jämmerliche Existenz fortsetzen. Du gierst nach Macht und willst die Welt regieren. Den Prinzen töten. Mich umbringen.« Zacarias’ Lächeln wurde kalt wie Eis. »Das sind viele Wünsche, während ich nur einen habe. Deinen Tod. Du bist kuly – weiter nichts, ein Wurm, ein Dämon, der Seelen frisst. Du bist ein wahrer hän ku vie elidet – ein Dieb des Lebens, und deswegen spreche ich das Urteil über dich.«
Die tote, verrottende Vegetation, die sich in Hunderten von Jahren, vielleicht sogar Jahrtausenden angesammelt hatte, geriet in Raserei. Mit um sich schlagenden Armen und gebleckten Zähnen kamen die Kreaturen auf Zacarias zugeschlurft. Er schickte ihnen den Wind entgegen, der aber nicht die kleinste Wirkung auf sie hatte und sie nicht einmal ins Schwanken brachte.
Ruslans Gelächter musste jedem in Hörweite in den Ohren schmerzen. Fröhlich kichernd tanzte er herum. »Ich glaube nicht, dass ich es bin, der heute stirbt, Jäger.«
Die näher rückenden Kreaturen, die aus totem Laub bestanden, ließen die Luft nach Verwesung riechen. Zacarias brauchte etwas völlig Gegensätzliches, um Ruslans Kraft entgegenzuwirken und die nötige Zeit zu gewinnen, um den Vampir zu töten. Ruslan hatte ganz bewusst Zacarias’ schlimmste Geheimnisse ausgenutzt, diese Schatten, die seinen Körper durchzogen und seine Seele einnahmen.
Doch jetzt war nicht der Moment für Stolz. Oder Angst. Er war ein Jäger und hatte keine andere Wahl, als alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen. Ruslan Malinov war die größte Bedrohung für das karpatianische Volk. Ohne ihn würde die Armee der Vampire sich verringern, was Mikhail, dem Prinzen, Zeit verschaffen würde, seine Leute zusammenzurufen und sämtliche Verteidigungslinien zu verstärken.
Und so wagte Zacarias das Unvorstellbare. Marguarita. Du musst aufwachen.
Er konnte sich nicht erlauben, an sie und das zu denken, was sie vielleicht durchmachte, wenn sie unter der Erde erwachte. Sie war menschlich, und er hatte ihr ohnehin schon so viel abverlangt. Aber dieser Vampir war verantwortlich dafür, dass das karpatianische Volk vom Aussterben bedroht war. Er durfte nicht entkommen, egal, was es den Jäger – oder seine Seelengefährtin – kostete.
Tief unter dem Herrenhaus der Hazienda wurde Marguarita sich zweier Dinge bewusst: Sie war lebendig begraben, und Zacarias war in Schwierigkeiten. Sofort erwachte sie, und das Wissen durchflutete sie zusammen mit einem grauenhaften Hunger, der an ihren Eingeweiden zerrte. Fest entschlossen, nicht in Panik zu geraten, kniff sie die Augen zusammen. Zum Glück konnte sie Zacarias’ Geist in ihrem spüren.
Seltsamerweise konnte sie auch ihren eigenen Herzschlag hören, gleichzeitig jedoch kam es ihr so vor, als bewegte sich keine Luft durch ihre Lunge. Das Pochen echote gespenstisch durch ihren Kopf, aber sie konzentrierte sich auf Zacarias, ignorierte ihr Bedürfnis zu schreien und das Gewicht des Erdreichs, das auf ihrem Körper lastete. Behutsam und mit größter Vorsicht fand sie den Zugang zu Zacarias’ Bewusstsein. Jäher Schmerz erfasste sie – ein rasender, brutaler Schmerz, der durch ihren ganzen Körper schoss und es leicht mit dem aufnehmen konnte, den sie während der Umwandlung erlitten hatte. Schnell zog sie sich aus Zacarias’ Geist zurück, bevor sie sich verraten konnte oder gar ohnmächtig wurde von dem Grauen und der Qual, die er durchlitt.
Was hatte er gesagt? Er hatte ihr doch erklärt, wie sie das Erdreich öffnen und sich daraus befreien konnte … Du wirst die Erde mit deiner Willenskraft entfernen, hatte er gesagt . Indem du es ihr befiehlst. Stell dir einfach vor, dass sie dir gehorcht
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