Dunkle Häfen - Band 1
Soldaten war totenstill, bis auf gelegentliches Murmeln. Fasziniert beobachteten sie den Kampf, der mit so offensichtlicher Erbitterung ausgetragen wurde. Ramis fing jetzt an, richtig zu schwitzen. Wenigstens ging es Fayford nicht anders. Das Klirren der Klingen, welches das einzige Geräusch hier war, schien kein Ende zu nehmen, es gewann etwas Ewigliches. Doch Ramis allmählich ermüdende Glieder erzählten vom Gegenteil. Und wenn sie nicht aufpasste, würde es demnächst ein Ende haben. Fayford hatte die Fähigkeit, die den Meister ausmachte: sich seinen nächsten Schritt nicht anmerken zu lassen. Nichts verriet seinen nächsten Angriff. Bisher hatte Ramis mithalten können, die Wichtigkeit dieses Kampfes brachte sie zu Höchstleistungen. Doch die Erschöpfung machte sie unweigerlich langsamer und seinen nächsten Ausfall registrierte sie Sekundenbruchteile zu spät. Sie konnte gerade noch zurückspringen, entging der scharfen Spitze... und stürzte.
Benommen fand sie sich auf dem Boden wieder. Eine Metallspitze schwebte vor ihrer Nase. Über sich sah sie Fayfords triumphierendes Gesicht. Natürlich, jetzt hatte er ja auch gewonnen, hatte die blutrünstige Piratin zu Fall gebracht. Ramis fühlte Bitterkeit in sich aufsteigen, während sie so im Gras lag. Sie wusste, er würde sie nicht sofort töten, das hatte er schon angekündigt. Der Degen an ihrem Hals schwankte leicht, als Fayford befahl ein paar Männern befahl, herzukommen.
"Ihr seid besiegt, Piratenhexe", höhnte er, wieder an sie gewendet. "Ihr werdet die Sonne nie wieder aufgehen sehen, Tochter der Nacht."
Dann steckte er seinen Degen wieder ein. Zwei Männer zogen sie auf die Beine und hielten die Gefangene fest. Fayford schwang sich auf sein Pferd und wartete, bis man Ramis gefesselt und auf ein Pferd befördert hatte. Ein Soldat setzte sich hinter sie, um sie zu bewachen und festzuhalten. Sobald alle startklar waren, zog der Tross zur Stadt zurück. Es war bereits dunkel und Ramis konnte nur noch die Silhouette des großen Hauses erkennen, in das man sie brachte. Rasch wurde sie eine Treppe hinunter geschoben und in eine Kammer gestoßen. Sie stürzte auf kalten Boden. Es roch feucht.
Das Scheppern der Tür, die ins Schloss fiel, sagte Ramis, dass man sie allein gelassen hatte. Eine Weile lag sie einfach in der Dunkelheit, ohne sich zu rühren. Sie konnte überhaupt nichts sehen, kein Fenster ließ das düstere Licht der Nacht herein. Immerhin hatte ein Wohlwollender ihr die Fesseln abgenommen. Schließlich stützte Ramis sich auf ihre Hände und stand auf. Sie tastete umher, bis sie auf die Wände stieß. Schmutziges Gestein. Sonst fand sie nichts, es war einfach eine leere Kammer, nicht einmal eine Gefängniszelle. Irgendwann setzte Ramis sich vorsichtig in eine Ecke. Verzweiflung stieg in Ramis auf, als sie sich über die aufgeschürften Hände fuhr. Ramis Schicksal war besiegelt, nun endgültig. Sie hoffte nur noch, dass die Fate rechtzeitig ausgelaufen war. Fayford würde ihr sicher gerne die Köpfe ihrer Mannschaft vorlegen. Ramis kauerte sich zusammen, weil ihr schnell kalt wurde. Sie kannte jene undurchdringliche Finsternis, die jeden lichtlosen Raum erfüllte. Sie war vor dem Licht da gewesen und würde auch wieder kommen, wenn es erloschen war. Das Licht war stets begrenzt, die Dunkelheit überall, wo es nicht war. Ob Fayford wusste, dass er seine Gefangene am meisten bestrafte, indem er sie tagelang in der Dunkelheit ließ? Doch es war so, er verdammte sie zu zermürbenden Kämpfen gegen ihre eigenen Ängste und den Wahnsinn. Er hatte sie 'Tochter der Nacht' genannt, obwohl sie die Nacht hasste und doch rann deren düsteres Erbe durch ihre Adern. Immer saß Ramis in der Nacht, wie um zu fühlen, wie sie langsam mit ihr verschmolz und sich in den ruhelosen Seelen und den Alpträumen zu verlieren begann. Ramis war an sie gefesselt, kehrte doch immer wieder zu ihr zurück.
Mit solch seltsamen Gedanken hockte Ramis in der Finsternis und aus dem Steinboden kroch die Kälte hoch. In Ramis reifte mit den dahinfließenden Stunden das Bedürfnis, in dem Raum umher zu rennen und zu schreien, bis sie die Stille nicht mehr hören konnte, bis sie nicht mehr wartete. Ramis versuchte an das Licht und die Wärme zu denken, aber das war hier alles so weit weg und unerreichbar. Sie würde es ja doch nie wieder sehen. Ramis fragte sich, ob er sie hier in der Kammer sterben lassen wollte, sie in der Dunkelheit einsperren, bis sie verdurstet war. Wenn das
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