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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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zugestoßen war. Und weil den Piraten letztendlich doch das eigene Leben am wichtigsten war, beschlossen sie, ihre inzwischen wohl sinnlos gewordene Treue zu begraben und Ramis letztem Befehl zu folgen. Zu bleiben, würde den Tod zu bedeuten, auch wenn die meisten nicht einmal wussten, worum es ging. Aber Ramis hatte vorausgesehen, dass man ihr nicht mehr helfen konnte, wenn sie nicht von allein zurückkam. Sogar Fanny fügte sich mit aschgrauer Miene, obwohl sie davon ausgehen musste, dass sowohl Ramis als auch Talamara in höchster Gefahr oder schon tot waren. Nur William wollte es nicht hinnehmen.
    "Wir müssen auf sie warten! ", schrie er. "Oder sie suchen! Wir können nicht einfach wegfahren! Ich weiß, sie lebt und braucht unsere Hilfe!"
    Die Männer behielten ihn im Auge, als sie schnell die Segel setzten, aber der Junge machte keine Anstalten, sich zu rühren.
    "Lasst uns wenigstens dorthin fahren, wohin Ramis gegangen ist! Die Soldaten werden nicht mehr da sein, sie haben ja keinen Grund mehr. Sie werden nicht glauben, dass wir jetzt noch dorthin kommen."
    Das kam von Fanny. Ihre Hand klammerte sich haltsuchend an Williams Schulter. Plötzlich hatte die Frau alles verloren, was ihr Leben bestimmt und was es ihr lebenswert gemacht hatte. Immerhin erklärten sich die Männer bereit, es zu wagen. Im Schutze der Nacht umrundeten sie die Insel, bis sie zu dem Treffpunkt kamen. Sie ankerten ein Stück weit entfernt, um die gefährlichen Klippen zu meiden und marschierten dann los. Doch es war tatsächlich niemand mehr da. Nur die Abdrücke von Pferdehufen zeugten von den Soldaten. Kein Blut und keine Leichen. Schließlich hatten sie keine andere Wahl, als umzukehren. Niedergeschlagen stach man in See. Erst jetzt wurde auch den Männern der Fate klar, wie sehr sie sich an den 'Käpt'n' gewöhnt hatten. So viele Jahre engsten Zusammenlebens mussten ihre Spuren hinterlassen, viele von ihnen kannten sogar nur noch Ramis als Kapitän.
    Ein Stück entfernt der Insel entdeckten sie schließlich etwas, das im Wasser trieb. Ein Matrose kletterte hinunter und leuchtete mit einer Laterne. Es war Talamara, die mit dem Gesicht nach unten dahin schwamm, ihre schwarzen Haare umspülten sie sanft. Grüne Meerespflanzen hingen darin wie die Perlenschnüre, die sie gerne getragen hatte. Die Piraten bargen Talamara mit einem Seil und legten sie an Deck ab. Aus den zahlreichen Wunden und Aufschürfungen, die die Felsen ihr zugefügt hatten, rann wieder ein wenig Blut, doch es war schon kalt. Die grünen Augen stierten seltsam sinnend in die Ferne. Mit einem erstickten Aufschrei kniete sich Fanny neben die Tote, während die anderen einen stummen Kreis darum bildeten. Fanny zog eine lange Alge aus dem nassen Haar. Der Tod schwebte wieder einmal über dem Deck, es gab nichts zu sagen.
    Irgendjemand ergriff schließlich die Initiative und gab den Befehl, Talamara in Segeltuch einzunähen. Sie waren sich nun sicher, dass Ramis auch tot war. Deshalb fuhren sie bald wieder fort und sahen nicht das Schiff mit der Gefangenen auslaufen. Als die Piraten dann doch wieder zauderten und zurückkehrten, war es schon zu spät und sie erfuhren in der Stadt nur, dass ein Schiff kürzlich mit einer angeblich sehr gefährlichen Gefangenen ausgelaufen war. Trotz aller Mutmaßungen und Unsicherheiten verfolgten sie die Spur weiter und traten die lange Reise nach Europa an. Unterwegs gerieten sie in einen Sturm, der sie allerdings nicht weiter behelligte, da er recht schwach war. Letztendlich gelangten sie nach Bristol, wo das gesuchte Schiff angeblich landen sollte. Aber es war nie angekommen, wie man ihnen mitteilte. Ein Sturm hatte es in zwei Teile zertrümmert. Eine Frau war nicht unter den Überlebenden. Alle bis auf William gaben es nun endgültig auf. Nicht einmal Fanny konnte mehr an ein Wunder glauben. William jedoch konnte nichts von seiner Meinung abbringen, er wollte die Wahrheit nicht wahrhaben.
    "Sie lebt ", beharrte er. "Wenn sie tot wäre, würde ich es wissen."

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