Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
so dreist, unmittelbar vor mir stattzufinden, und deshalb möchte ich ein bisschen Polizeiarbeit leisten, allerdings ohne die Polizei, die in diesem Fall, so fürchte ich, kaum von großer Hilfe wäre.«
An Charlies Gesicht ließ sich nichts ablesen, und das war erstaunlich, denn Dodger verstand sich gut darauf, in Gesichtern Hinweise zu erkennen. Ernst fuhr der Mann fort: »Ich frage mich, ob die beiden Gentlemen, denen du begegnet bist, der jungen Dame wegen des Kinds zusetzten. Vielleicht finden wir es nie heraus, vielleicht doch.« Und dort war es – das Wörtchen doch, wie ein Messer, das schnitt und schnitt, bis es auf Erleuchtung traf. Charlies Gesicht blieb völlig ausdruckslos. »Ich frage mich, ob andere Gentlemen unter Umständen davon wussten, und deshalb, mein junger Herr, sind hier zwei Shillings für dich. Und noch einer mehr, wenn du mir einige Fragen beantwortest. Ich gedenke nämlich, dieser seltsamen Angelegenheit auf den Grund zu gehen.«
Dodger betrachtete die Münzen. »Um welche Fragen handelt es sich?« Er lebte in einer Welt, in der niemand Fragen stellte, abgesehen von den Fragen Wie viel? und Was ist für mich drin? Und er wusste – er wusste es wirklich –, dass Charlie es ebenfalls wusste.
»Kannst du lesen und schreiben, Dodger?«, fuhr Charlie fort.
Dodger neigte den Kopf zur Seite. »Ist das eine Frage, für die ich einen Shilling bekomme?«
»Nein«, schnauzte Charlie. »Ich lasse einen Viertelpenny für diese kleine Auskunft springen, mehr nicht. Hier ist er. Wo ist die Antwort?«
Dodger schnappte sich die Münze. »Ich kann Bier, Gin und Ale lesen. Ist doch sinnlos, sich den Kopf mit Kram vollzustopfen, den man gar nicht braucht, finde ich.« Lag da die Andeutung eines Lächelns auf den Lippen des Mannes?, fragte er sich.
»Offenbar bist du ein Akademiker, Mister Dodger. Vielleicht sollte ich dir sagen, dass die junge Dame … Nun, jemand ist nicht besonders sanft mit ihr umgegangen.«
Er lächelte nicht mehr, und Dodger geriet plötzlich in Panik und rief: »Ich nicht! Ich habe ihr nie nichts getan, das ist die reine Wahrheit! Ich bin vielleicht kein Engel, aber das heißt noch lange nicht, dass ich ein Schurke bin.«
Charlies Hand packte Dodger, als er aufstehen wollte. »Du hast ihr nie nichts getan? Du hast nie nichts getan, Dodger? Wenn du niemals nichts getan hast, hast du die ganze Zeit über irgendetwas getan, und bitte sehr, das ist ein Geständnis, unüberhörbar aus deinem Mund. Ich bin ziemlich sicher, dass du nie zur Schule gegangen bist, Mister Dodger, dafür scheinst du mir zu schlau zu sein. Aber wenn du zur Schule gegangen wärst und dort Sätze wie Ich habe nie nichts getan gesagt hättest … Dann hätte dir dein Lehrer vermutlich das Fell über die Ohren gezogen. Aber hör mir gut zu, Dodger! Ich glaube dir, dass du der jungen Dame nichts angetan hast, und ich habe mindestens einen guten Grund, um davon überzeugt zu sein. Vielleicht hast du nicht bemerkt, dass sie an einem Finger einen der größten kunstvoll verzierten Goldringe trägt, die ich je gesehen habe, einen Ring, der etwas zu bedeuten hat. Und wenn du darauf aus gewesen wärst, besagter Dame zu schaden, hättest du den Ring bestimmt gestohlen, so wie du vorhin meine Brieftasche gestohlen hast.«
Dodger blickte in die Augen des Mannes. Oh, dies war ein übler Typ, dem man besser nicht querkam, kein Zweifel. »Ich, Sir? Nein, Sir«, sagte er. »Hab sie herumliegen sehen, und natürlich wollte ich sie Ihnen zurückgeben, Sir.«
»Ich darf dir versichern, dass ich dir jedes deiner Worte glaube, Dodger. Obwohl ich eingestehen muss, dass ich deine Fähigkeit bewundere, in der Dunkelheit nicht nur die Form einer Brieftasche zu erkennen, sondern auch sofort zu wissen, dass sie mir gehört. Wirklich, ich bin höchst erstaunt«, sagte Charlie. »Beruhige dich – ich wollte dir nur klarmachen, wie ernst die Sache ist. Mit den Worten Ich habe nie nichts getan hast du allen deinen Aussagen eine negative Bedeutung verliehen, und zwar auf recht nachhaltige Weise, verstehst du? Mister Mayhew und ich, wir sind der im Großen und Ganzen unannehmbaren Situation in weiten Teilen dieser Stadt gewahr, was übrigens bedeutet, dass wir über Missstände Bescheid wissen und uns bemühen, sie der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen. Zumindest jenen Vertretern der Öffentlichkeit, die davon Kenntnis erhalten möchten. Da dir etwas an der jungen Dame zu liegen scheint, könntest du vielleicht herumfragen
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