Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
erstarrt vor Dodger und brachte mit etwas Mühe hervor: »Die Leute sagen, dass du den Friseur umgebracht hast, du weißt schon, den mit den vielen Toten im Keller, stimmt’s?«
Dodger zögerte. In der Kanalisation war das Leben viel einfacher, aber er hatte vor Kurzem gelernt, dass die Wahrheit ein Nebel war, wie Charlie es ausgedrückt hatte, und dass die Leute ihr die Form gaben, die sie ihrer Meinung nach haben sollte. Er hatte nie jemanden getötet, doch das spielte keine Rolle, denn der Nebel der Wahrheit wollte nicht wissen, dass der arme Mister Todd ein anständiger Mann gewesen war, der im Dienst des Herzogs von Wellington so viel Schreckliches erlebt hatte, dass sein Geist ebenso verkrüppelt war wie die Verwundeten, die er behandeln musste. Der arme Teufel war tatsächlich eher ein Kandidat für Bedlam als für den Galgen, obwohl jeder, der einigermaßen bei Verstand, aber nicht bei Kasse war – den Armen, die nach Bedlam kamen, blieb keine Wahl –, den Henker vorgezogen hätte. Doch der Dunst der Wahrheit mochte keine unangenehmen Einzelheiten, und deshalb musste es einen Schurken und einen Helden geben.
Es war ein verdammtes Ärgernis, aber vielleicht konnte er es ausnutzen. Er strafte den Schmutzigen Benjamin mit einem tadelnden Blick und sagte: »So in der Richtung, aber nicht ganz. Wenn du mein Freund sein willst, solltest du mir verraten, warum du mich verfolgt hast. Andernfalls mache ich Hackfleisch aus dir.«
Es war keine Ruhmestat, dem Schmutzigen Benjamin auf diese Weise zu drohen, denn er war nicht mehr als ein armer Kerl, der Frauen die Unterwäsche von der Wäscheleine stahl und Botengänge für jeden erledigte, der über ihm stand und etwas Geld übrig hatte – sein größter Ehrgeiz bestand darin, bis zum nächsten Tag zu überleben. Bei jemandem wie ihm verspürte man den Wunsch, sich nach der Begegnung mit ihm die Hände zu waschen. Er war ein Wurm, der sich immerzu wand. Er gehörte zu den verlorenen Seelen, zu den Menschen, die hinter der Tür gestanden hatten, als Gott vorbeigekommen war. Solche Menschen streiften die Welt nur, berührten sie kaum und fürchteten sich dauernd vor etwas.
Derzeit schien es dem Schmutzigen Benjamin an Furcht nicht zu mangeln, und Dodger gab nach und sagte: »Na ja, vielleicht mache ich doch kein Hackfleisch aus dir, denn ich kenne dich, Ben, du sagst mir bestimmt, was ich wissen will, nicht wahr? Und ich möchte wissen, wer dich beauftragt hat, mich zu verfolgen. Ich tue dir nichts, wenn du mir antwortest.«
Dodger und der Schmutzige Benjamin wandten sich um, als sich die Schatten veränderten und Missus Sharples enthüllten, die in Begleitung von Simplicity um die Ecke spähte. »Es tut mir leid, wenn ich die beiden Herren bei ihrem … äh … Gespräch störe, aber ich glaube, es wird Zeit für die Heimkehr, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Dodger betrachtete wieder den unglücklichen Schurken, der sich vor ihm duckte. »Benjamin«, sagte er streng, »ich habe nichts gegen dich. Dies ist die letzte Gelegenheit. Sag mir, für wen du arbeitest und warum. Ich erzähle nicht weiter, dass ich es von dir weiß.«
Der Schmutzige Benjamin weinte, und nach dem Geruch zu urteilen, waren es nicht nur Tränen, die er vergoss. Er sank auf die Knie und wimmerte erbärmlich.
Und Dodger beugte sich über ihn und flüsterte: »In meiner Hand habe ich das Rasiermesser des Friseurs Sweeney Todd, und noch ist es nicht aufgeklappt. Aber es ruft mich, es fordert mich auf, Gebrauch von ihm zu machen … Ich rate dir dringend, mir zu sagen, für wen du arbeitest, Benjamin. Hast du verstanden?«
Die Worte kamen so schnell aus Benjamins Mund, dass sie kaum auseinanderzuhalten waren, aber Dodger verstand Folgendes: »Es war Harry Klatsch von Hackney Marshes, aber es heißt, dass einige wichtige Typen wissen wollen, wo du steckst und ob du das Mädchen bei dir hast. Mehr weiß ich nicht, ganz ehrlich. Es ist eine Belohnung ausgesetzt.«
»Wer hat sie ausgesetzt?«, fragte Dodger.
»Keine Ahnung. Harry Klatsch hat mir nie nichts gesagt, das ist die reine Wahrheit. Hat mir einen Anteil am Gewinn versprochen, hat er.«
Dodger starrte in das Gesicht. Nein, der Bursche log nicht, Benjamin war leichte Beute, und deshalb sagte er: »Nun, Benjamin, als dein Freund verlasse ich mich darauf, dass du Harry Klatsch nichts von unserer Begegnung erzählst.« Der kleine Mann auf dem Boden nickte hastig. »Und nun muss ich noch einen Auftrag ausführen. Ich habe versprochen,
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