Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
neumodischen Eisenbahnleute, nennen wir ihn Mister Stephenson, hat einen Plan für eine wundervolle neue Maschine. Als ein Mann, der sich vor allem mit Bolzen und atmosphärischem Druck befasst, kennt er sich in der Geschäftswelt vielleicht nicht besonders gut aus. Mmm, Mister Coutts und seine Herren finden für ihn Unternehmer – damit bist in diesem Fall du gemeint –, die ihm genug Geld leihen, damit er seinen Plan verwirklichen kann. Mister Coutts schätzt die Vertrauenswürdigkeit eines Mannes ein und sorgt dafür, dass dein Geld sowohl für besagten Ingenieur als auch für dich arbeitet. Natürlich holt man Erkundigungen ein über den Mann mit den glänzenden Augen, den Ölflecken an der Hose und dem ihm anhaftenden Geruch von Kohlenstaub, um festzustellen, ob sich die Investition lohnt, aber Mister Coutts und seine Familie sind sehr reiche Leute, die nicht reich geworden sind, weil sie falsch geraten haben. Man spricht in diesem Zusammenhang von Finanzwirtschaft. Vertrau mir! Ich bin Jude – wir kennen uns mit solchen Dingen aus.«
Solomon strahlte fröhlich, doch Dodger sagte voller Unbehagen: »Für mich klingt das nach Glücksspiel. Und beim Glücksspiel kann man Geld verlieren.«
Unter dem Tisch winselte Onan, weil niemand ihn beachtete.
»Das kann man tatsächlich. Aber weißt du mmm, es gibt Glücksspiele und Glücksspiele. Nimm zum Beispiel Poker. Beim Pokern geht es darum, die Mitspieler zu beobachten, und darin bist du unglaublich gut. Du verstehst die Gesichter anderer Menschen zu deuten. Ich weiß nicht, warum du darin so gut bist; es ist ein Talent. In der Finanzwirtschaft verhält es sich ähnlich. Man muss die Leute einschätzen können, und Mister Coutts und Co sind darauf spezialisiert.«
»Das klingt so, als wären sie … andere Dodger«, sagte Dodger.
Solomon lächelte. » Mmm, das ist eine interessante Meinung, aber nicht unbedingt eine Ansicht, die du den Herren der Coutts-Bank gegenüber äußern solltest. Denk daran, es ist sehr schwer, mit einem schlechten Namen im Geschäft zu bleiben, und sie sind ohne Zweifel gut im Geschäft.« Er rümpfte die Nase, als die Gerüche der trocknenden Jacke allmählich Onans Beitrag zur Luft in der Mansarde überlagerten.
»Das mit dem Anzug tut mir leid«, sagte Dodger, aber Solomon winkte die Worte mit einem Pfuii beiseite.
»Mach dir wegen Jacob keine Sorgen«, sagte er. »Jacob wäre nie böse auf einen, der viel Geld ausgeben kann. Außerdem ist Pferdeurin gut für die Reinigung von Kleidung – eine Tatsache, die nicht jeder zu schätzen weiß, wenn auch allen sein fruchtiger, an Apfelmost erinnernder Geruch bekannt ist. Nun, ich schlage vor, dass wir zeitig zu Bett gehen, wenn du mit dem Abwasch fertig bist, denn morgen speisen wir mit wichtigen Persönlichkeiten, und es würde mich beschämen, wenn ich hören müsste: ›Seht nur das zu groß geratene Straßenkind, es hat überhaupt keine Manieren.‹ Sie werden sagen, dass es vielleicht weiß, wie man mit Messer und Gabel umgeht, aber keine Ahnung hat, was man mit einem mmm Fischheber anstellt. Und sie werden denken: Bestimmt schlürft er, wenn er seine Suppe isst. Was du, wenn du mir diese Bemerkung gestattest, ziemlich oft tust. Wenn Leute wie Mister Disraeli zugegen sind, musst du ein Gentleman sein, und mir scheint, dass mir mmm weniger als ein Tag bleibt, dich in einen solchen zu verwandeln. Geld allein genügt nicht.«
Dodger verzog das Gesicht, aber Solomon fuhr mit alttestamentarischer Bestimmtheit fort und hob den Finger der Rechtschaffenheit, als wolle er gleich die Zehn Gebote werfen. Was vermutlich zum Einsturz des Gebäudes geführt hätte, dessen Balken bereits unter dem Gewicht zahlreicher Familien ächzten und knirschten.
Solomon schob seinen Bart wie ein Vorauskommando nach vorn und sagte: »Dies ist eine Angelegenheit des Stolzes, Dodger, den ich habe und den du dir zulegen musst. Als Erstes suchen wir morgen früh Mister Coutts auf, und anschließend versuchen wir hier in London einen Friseur zu finden, der seinen Kunden die Haare schneidet und sie rasiert, ohne sie dabei umzubringen. Ich glaube, ich kenne einen.«
Bevor Dodger ein Wort sagen konnte, kam der Finger erneut nach oben, das Meer teilte sich, Donner grollte, der Himmel wurde dunkel, und die Vögel ergriffen die Flucht. Das geschah zumindest in der Mansarde, besser gesagt: in Dodgers Vorstellung.
»Widersprich mir nicht!«, forderte Solomon mit fester Stimme. »Wir sind hier nicht in der
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