Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
Mietwagen, der gegen eine unsichtbare Mauer geprallt ist.
Soll ich einen Abschleppwagen rufen? Ich bezweifle, dass irgendeine amerikanische Firma hier herauskommen würde, und eine mexikanische würde zweifellos das Auto als Sicherheit für die hohe Rechnung einkassieren, falls sie überhaupt so weit aus Tijuana rausfahren würden. Williams geschähe es nur recht, wenn er dann den Mietwagen ersetzen müsste. Allerdings könnte es auch für mich sehr unangenehm werden, falls meine gefälschten Papiere auffliegen.
Meine Kopfschmerzen melden sich zurück, stärker denn je. Es gibt eine einzige Person, die mir helfen könnte. Der einzige Gestaltwandler außer Culebra, den ich kenne. Daniel Frey. Ich greife nach dem Handy und schalte es ein.
Kein Netz.
Ungläubig starre ich auf die Anzeige. Kein Netz? Ist das Williams’ Vorstellung von einem guten Witz? Mich nach Mexiko zu schicken mit einem Telefon, das hier nicht funktioniert?
Ich schüttele frustriert das Handy. Davon wird die Lage nicht besser. Die Anzeige bleibt dieselbe: kein Netz. Scheiße. Ich habe gerade eine halbe Stunde damit verbracht zu überlegen, wen ich anrufen soll, und dann stellt sich heraus, dass das sowieso egal ist. Das verdammte Handy funktioniert nicht.
Ich steige aus dem Auto und schleudere das Scheißding so weit in die Wüste hinaus, wie ich kann.
Was jetzt?
Zurück zur Grenze sind es mindestens fünfundvierzig Kilometer zu Fuß. Als Vampir könnte ich diese Strecke ohne Schwierigkeiten laufen. Das Problem ist, dass ich aus gutem Grund hierhergekommen bin. Culebra. Ohne Telefon allerdings stecke ich hier draußen fest, und niemand kann mich abholen, bis ich den Saloon erreiche. Ich weiß, dass Culebra dort einen Telefonanschluss hat, und soweit ich mich erinnere, hat er sich nicht die Zeit genommen, den abzumelden, ehe er verschwunden ist.
Ich schaue in die Richtung, in die ich das Handy geworfen habe. Das hätte ich vielleicht doch nicht tun sollen. Falls Culebras Telefon nicht funktioniert, hätte ich zur Hauptstraße zurücklaufen können und dort vielleicht wieder Empfang gehabt.
Gut gemacht, Anna.
Wieder nähere ich mich der Wand. Diesmal stemme ich mich mit beiden Händen und aller Kraft dagegen. Sie gibt nicht nach. Ich trete dagegen und hämmere darauf herum. Ich nehme sogar ein paar Schritte Anlauf und werfe mich mit voller Wucht dagegen. Ich pralle ab wie ein verdammter Tennisball. Ich versuche, darüber zu klettern, aber die Wand ist glatt wie Glas und ich finde nirgends Halt. Wenn ich versuche, darüber zu springen, ohne zu wissen, wie hoch sie ist, würde ich ganz sicher mit dem Hintern im Staub landen.
Frustriert und wütend lehne ich mich mit dem Rücken an die Wand und lasse mich daran zu Boden sinken.
Denk nach.
Ich brauche Hilfe. Ich brauche jemanden, den ich telepathisch erreichen kann. Ich habe noch nie versucht, irgendjemanden oder irgendetwas allein mit der Kraft meiner Gedanken herbeizurufen. Ich weiß nicht, ob das überhaupt möglich ist, von der gewaltigen Entfernung ganz zu schweigen.
Und doch …
Ein vager Gedanke kitzelt meinen Verstand. Jemand hat mich schon auf diesem Wege erreicht, mehrmals sogar. Ja, er scheint nach Belieben in meinem Kopf aufzutauchen. Casper. Er hat mir schon zweimal aus einer bösen Klemme geholfen. Beim ersten Mal hatten mich die Rächer gefangen, und beim zweiten Mal war Ryan, der Freund meiner Nichte, in Gefahr, und ich hatte keine Möglichkeit, zu ihm zu gelangen. Ich weiß nicht, wer oder was er ist. Ich höre nur seine Stimme in meinem Kopf. Ich habe ihm den Namen Casper gegeben, weil er mich an das freundliche Gespenst aus den Comics erinnert.
Vielleicht kann ich diese Magie auch umkehren. Ich habe seit Wochen nichts mehr von ihm gehört, genau genommen, seit ich angefangen habe, für Williams zu arbeiten. Aber was kann ein Versuch schon schaden?
Ich stehe auf und schließe die Augen.
Casper.
Ich öffne die Augen und neige lauschend den Kopf. Nichts. Wieder kneife ich die Augen zu und verbanne alles andere aus meinem Kopf.
Casper. Kannst du mich hören?
Verdammt. Bei dem Glück, das ich in letzter Zeit habe, ist er vermutlich gerade im Urlaub. Ich hole tief Luft und konzentriere mich noch angestrengter.
Casper. Verdammt noch mal, du musst mich hören. Ich stecke in der Klemme.
Du siehst nicht so aus, als würdest du in der Klemme stecken.
Die Stimme lässt mich zusammenfahren. Ich hatte eigentlich gar nicht damit gerechnet, dass mein Ruf tatsächlich
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