Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
Augen öffne, sehe ich nur verschwommene Streifen. Es ist wie der Wirbelsturm im Zauberer von Oz , aber Dorothy hat nie ausgesehen, als hätte sie derart entsetzliche Schmerzen. Ich öffne den Mund, um zu schreien, doch der starke Wind drückt mir den Schrei einfach in die Kehle zurück.
Ich bin gefangen, ich bin hilflos, und ich werde gerade bei lebendigem Leibe verbrannt.
Kapitel 26
A nna. Anna. Wach auf.«
Das höre ich nun zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen. Diesmal jedoch klingt die Stimme hoch und schrill. Wie die von den Munchkins aus dem Zauberer von Oz .
Jemand rüttelt mich an den Schultern. »Komm schon. Es ist vorbei. Wach auf.«
Ich will nicht aufwachen. Wo auch immer ich sein mag, es ist still und friedlich hier. Kein Schmerz. Kein Lärm. Kein Licht. Kein Hunger. Ist es das Land hinter dem Regenbogen?
»Bin ich im Himmel?«
Das Lachen klingt laut und ziemlich ordinär.
Ich kuschle mich tiefer ein, obwohl ich nicht recht weiß, worauf ich eigentlich liege, und weigere mich, die Augen zu öffnen.
»Du erdrückst mich. Steh auf.«
Plötzlich spüre ich Bewegung unter mir. Etwas windet sich unter mir und versucht, mir zu entkommen.
Ach du liebe Güte. Bin ich zurück in diesem Motel in Santee? Habe ich es wieder getan?
Ich öffne ein Auge, kämpfe gegen meine plötzliche Übelkeit an und entdecke ein mir unbekanntes Gesicht und hellrotes Haar.
Ich habe es tatsächlich schon wieder getan. Diesmal mit – was? Dieser Typ sieht ziemlich seltsam aus, und sein Körper scheint unterhalb meiner Taille aufzuhören.
Ich habe es mit einem Liliputaner getrieben?
Die Übelkeit wird stärker und zwingt mich, beide Augen wieder fest zuzukneifen. Trotzdem dreht sich mir alles. Es ist wie dieses scheußliche, nicht mehr zu kontrollierende Gefühl, wenn man sturzbetrunken ist, kurz bevor man in Ohnmacht fällt – oder sich übergibt.
»Denk nicht mal daran.«
Die Stimme kreischt in mein Ohr.
Ich springe auf, nur weg davon. Ein Zwerg in einem hellgrünen Overall starrt mich an. Wie bin ich denn in diesen Film gekommen?
»Dafür kannst du dich bei den Göttern bedanken.«
»Was?«
Er runzelt die Stirn. »Kommst du jetzt bitte wieder zu dir?« Er wedelt mit der Hand. »Siehst du, wo wir sind?«
Ich reiße den Blick lange genug vom Gesicht dieses Kobolds los, um mich hastig umzusehen.
Wir stehen mitten auf einer unbefestigten Straße. Da ist ein Auto, das vorn total zertrümmert aussieht –
Etwas blitzt in meinem Verstand auf. Das Auto? Ich berühre meine Wange. Die Haut fühlt sich rauh an und kribbelt.
Eine Erinnerung treibt knapp außer Reichweite durch meinen Kopf.
Ich schüttele ihn. Konzentriere mich.
Der Liliputaner regt sich. »Na los. Ich habe auch noch andere Dinge zu erledigen. Ich kann nicht den ganzen Tag lang hier warten.«
»Hör mal, Casper …« Diese automatische Antwort lässt meinen Verstand endlich einrasten.
Offenbar spiegelt sich das auf meinem Gesicht, denn Caspar – äh, Avatoar – grinst. »Na, endlich. Herrgott, Anna. Normalerweise brauchen Vampire nicht so lange, bis sie wieder da sind. Du warst wirklich weggetreten.«
Ich lege den Kopf in den Nacken und versuche, ihn zu lockern. »Hattest du nicht gesagt, es würde nur ein bisschen wehtun?«
Er zuckt mit den Schultern. »Wenn ich dir gesagt hätte, dass es ganz beschissen wehtun würde, wärst du dann bereit gewesen, es zu versuchen?«
Sein Tonfall, seine Miene, seine Ausdrucksweise unterscheiden sich gewaltig von dem etwas ätherischen Wesen, das mir gern Dinge gesagt hat wie: »Vergiss nicht, wer du bist.«
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Wer bist du, und was hast du mit dem echten Casper gemacht?«
Zur Antwort bekomme ich einen vernichtenden Blick.
Ich nähere mich der zerknautschten Front des Wagens. Vorsichtig. Schließlich will ich nicht noch mal von dieser verdammten Wand abprallen. Ein vorsichtiges Tastmanöver bestätigt mir, dass ich jetzt tatsächlich, wie erwartet, auf der anderen Seite der Barriere bin.
Vor meinen Füßen ist ein Loch. Groß genug, dass wir beide uns da hätten durchquetschen können.
»Verrätst du mir, wie du das gemacht hast?«
»Das ist doch ziemlich offensichtlich, oder nicht?«
Ich blicke von dem Loch zu Avatoar. »Du meinst, wir haben uns unter der Barriere durchgegraben?«
Er macht eine flatternde Handbewegung. »Hm, eher durchgebohrt.«
Das erklärt die Hitze und die schmerzhafte Reibung. »Warum sind meine Kleider dann nicht zerrissen, oder meine
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