Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
auf dieses Gesicht zu starren, das meines ist, und doch wieder nicht. Irgendetwas hat sich verändert. Mehr als nur die Haare.
Die Augen.
Meine Augen.
Vom Blitz der Kamera erfasst, glitzern sie wie Obsidian in einer dunklen Höhle. Bin ich die Einzige, der auffällt, dass sie nicht ganz menschlich aussehen? Der Typ im Motel schien nicht beunruhigt zu sein. Ich wünschte, ich könnte sehen, was er gesehen hat, als er mich anschaute.
Nicht, dass ich Spiegel sonderlich vermisse. Eitelkeit war nie ein großes Thema für mich. Ich war auch früher keines von den Mädchen, die auf Nagellack und Ohrringe stehen. Ich bin lieber mit den Jungs herumgerannt. Kurzes Haar und Jeans waren schon immer mein Ding. Ich wollte lieber einen starken Körper haben als einen aufreizenden.
Das ist jetzt wohl ganz praktisch. Ich halte das Foto hoch. Ich glaube nicht, dass es weibliche Vampire mit üppigen Kurven gibt.
Ich knalle die Zeitung auf den Beifahrersitz. Eine Möglichkeit, mich über mein Aussehen auf dem Laufenden zu halten, wäre wohl, ab und zu ein Foto von mir machen zu lassen. Ein weiteres Stückchen Information, das ich der langen Liste in Tipps und Tricks zur Haltung und Fütterung von Vampiren hinzufügen kann. Ein Buch, das ich eines Tages zu schreiben beabsichtige.
Ich muss noch eine Sache erledigen, ehe ich nach Mexiko einreise. Gestern Abend ist mir ein Laden mit Jagdausrüstung aufgefallen, draußen am Stadtrand. Ich kaufe dort einen Schlafsack, eine Kaffeekanne, abgepackten Instantkaffee und eine Daunenjacke. Die beste Daunenjacke. Nicht, dass ich die bräuchte. Vampire spüren die Lufttemperatur nicht so wie Menschen. Ich kaufe sie als Geschenk für Trish. Warum nicht? Es war Williams’ Idee, mich loszuwerden, und es ist Williams’ Geld, das ich gerade ausgebe.
Diesmal bittet mich niemand um ein Autogramm. Ich werde überhaupt nicht beachtet, man nimmt nur mein Geld und packt meine Einkäufe in eine Tüte.
Ruhm ist ja so vergänglich.
Der Grenzübergang in Mexicali ist eine stark verkleinerte Version der Grenzstation in San Diego. Hier warten nicht so viele vollbeladene Familienkutschen an der Passkontrolle, dafür aber fast genauso viele Lastwagen. Es geht sehr langsam voran. Und ich muss mich daran erinnern, auf dem Highway 2 nach Westen zu fahren, wenn ich über die Grenze bin, nicht nach Osten – so würde ich fahren, wenn ich von zu Hause käme.
Die Fahrt ist in dieser Richtung ebenso uninteressant wie aus der anderen. Mein Mietwagen fährt sich praktisch von allein. Ich werde wohl etwa eine Stunde brauchen, bis ich die Abzweigung zu der unbefestigten Straße erreiche, die mich nach Beso de la Muerte bringen wird. Was mich dort wohl erwartet?
Ich wünschte, ich könnte Max anrufen. Wenn er hierherkäme, könnten wir gemeinsam Jagd auf Foley machen und ihn zwingen, uns zu Martinez zu führen. Jetzt haben wir etwas gegen ihn in der Hand. Alans Tod. Selbst, wenn er sich eine Geschichte darüber ausdenkt, dass er ja nur Dan und Sylvie schützen wollte, könnte er doch nicht erklären, warum er sich am Tatort nicht sofort zu erkennen gegeben hat.
Und Foley hofft immerhin auf das Kopfgeld von einer Million. Max hat offenbar sämtliche Kontakte zu allen abgebrochen – wohl auch zu mir. Etwas, das Foley offensichtlich nicht weiß. Er glaubt immer noch, ich könnte ihn zu Max führen. Vielleicht habe ich mir völlig umsonst den Kopf darüber zerbrochen, wie ich mit Max Schluss machen soll. Foley hat mir das abgenommen. Ein kurzer Anruf bei meiner Mailbox bestätigt das. Die einzigen neuen Nachrichten sind von David. Nichts von Max. David hingegen hat zehn Nachrichten hinterlassen, die sich von reumütig zu panisch steigern.
Ich lösche sie. Williams hat gesagt, er würde David anrufen und meine Abwesenheit erklären. Das überlasse ich ihm gern. Ich habe keine Lust, mit David zu sprechen, schon gar nicht heute. Heute Abend eröffnet Glorias Restaurant, und er ist sicher schon ganz aufgeregt. Ich frage mich, ob ihm überhaupt bewusst ist, was für ein Datum sie dafür ausgewählt hat. Heute ist Halloween. Ein hoher Feiertag für Hexen.
Sobald ich die unbefestigte Straße erreicht habe, erfordert das Fahren doch etwas mehr Aufmerksamkeit. Der Wagen ruckelt und rutscht immer wieder weg – offensichtlich fühlt er sich mit tiefen Rinnen und Schlaglöchern nicht so wohl wie auf glattem Asphalt. Ich muss das Lenkrad mit beiden Händen festhalten, um in der Spur zu bleiben.
Beinahe ebenso anstrengend ist es
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