Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
die Hand, um meine Augen zu bedecken.
Eine andere Hand stößt sie fort.
»Mach die Augen auf, Vampirin.«
Eine weibliche Stimme. Kalt. Erbarmungslos.
»Also schön. Das wird dich wach machen.«
Ein scharfer Pikser. Druck, als ein Kolben herabgedrückt wird. Etwas schlängelt sich in meinen Blutkreislauf wie ein eisiger Finger. Ich spüre, wie es sich in mir bewegt, meinen Körper durchströmt, jeden einzelnen Nerv weckt, in mein Gehirn vordringt und dort herumnagt, bis ich nicht mehr anders kann.
Schreiend werde ich in die Bewusstheit zurückgerissen.
Kapitel 44
E ine Frau schaut auf mich herab.
Sie lächelt.
Sie sähe aus wie eine nette ältere Dame, wenn nicht ihr Haar und ihr Gesicht mit Blut verschmiert wären.
Blut? Wessen Blut?
Warum kann ich mich nicht daran erinnern?
Dann durchschneidet eine Erinnerung die Dunkelheit in meinem Kopf wie ein Stroboskop-Licht. Das Bild pulsiert in schwarz-weißem Relief. Ein Körper. Verstümmelt. Zerfetzt. Blut überall.
Instinktiv hebe ich die Hände. Sie sind mit getrocknetem Blut verkrustet. Unter meinen Nägeln kleben Hautfetzen.
Das Stöhnen beginnt tief in meinem Bauch und bricht als verzweifelter Schrei aus mir hervor.
Was habe ich getan?
Warum kann ich mich nicht daran erinnern?
Kapitel 45
A ls ich die Augen erneut öffne, erinnere ich mich.
An alles.
Marta steht nicht mehr neben mir.
Ich blicke mich um.
Ich liege in einem Raum, der genauso aussieht wie Max’ Zelle. Auf einem Feldbett mit einer zerrissenen, rauhen Decke. Jemand hat mich mit einem Laken bedeckt. Darunter bin ich nackt.
Ich weiß nicht, wo im Haus ich mich befinde. Ich dachte, es gäbe nur zwei Zimmer am Fuß dieser Treppe. Aber ich bin allein hier drin. Und es ist kein Blut an den weißgekachelten Wänden, auch nicht auf dem Zementboden. Nach dem, was ich mit Martinez gemacht habe, müsste überall Blut sein.
Außer …
Ich richte mich zum Sitzen auf und stöhne von dieser Anstrengung. Meine Glieder protestieren dagegen.
Aber ich muss sitzen, um mich richtig umzusehen. In der Mitte des Fußbodens ist ein Abfluss. Daraus steigt der Geruch von Kiefernduft und Chlorreiniger auf. Und darunter riecht es nach Blut.
Das Laken rutscht herunter, und ich sehe, dass nicht nur das Zimmer gesäubert wurde. An meinem Körper, meinen Händen klebt kein Blut. Meine Fingernägel sind sauber geschrubbt. Derselbe, leicht antiseptische Geruch nach Kiefernduft und Seife steigt mir in die Nase, als ich die Hände hebe, um mir die Augen zu reiben. Die Schnittwunde an meinem Arm, wo Martas Klinge mich verletzt hat, ist mit einem Verband bedeckt. Ich reiße ihn ab. Es ist nur eine leichte Rötung zu erkennen, wo das Messer in mein Fleisch gedrungen ist.
Meine Gedanken sind wirr.
Wenn dies derselbe Raum ist, wo ist dann Max?
Max.
Ein Schauer überläuft mich. Was haben sie mit ihm gemacht? Warum habe ich es so weit kommen lassen? Ich hätte Martinez angreifen sollen, sobald ich ihn in der Tür stehen sah. Ich hätte einen Plan parat haben müssen. Ich habe mich von der Tatsache, dass ich ein Vampir bin, einlullen lassen und geglaubt, ich könnte mit allem fertig werden, was ein Mensch mir entgegenzusetzen hat. Ich habe mich geirrt. Das hat Max womöglich das Leben gekostet.
Ich schwinge die Beine über den Rand der Pritsche und stoße mich davon ab. Marta hat mir nichts dagelassen, womit ich meine Blöße bedecken könnte. Ich reiße das Laken in zwei Stücke und knote mir das kleinere um den Leib. Es reicht mir bis zu den Knien, so dass ich mich bewegen kann, ohne darüber zu stolpern.
Ich werde mich schnell bewegen müssen.
Ich gehe zur Tür in der Annahme, dass ich sie werde eintreten müssen. Umso überraschter bin ich, als sich der Türknauf leicht in meiner Hand dreht. Vorsichtig öffne ich die Tür.
Der Flur ist dunkel und leer. Und still. Ich ziehe die Tür von außen hinter mir zu. Ich überquere den Flur, drücke ein Ohr an die Tür und lausche. Kein Laut. Auch dieser Türknauf lässt sich leicht drehen, und die Tür öffnet sich.
Die Pritschen stehen noch aufgereiht da wie zuvor. Doch die Leichen von Martinez’ Frau und Kindern sind weg. Drei andere Körper sind nun hier aufgebahrt.
Ich schleiche von einem zum nächsten.
Foley.
Martinez.
Max.
Ich berühre Max’ Gesicht, zu sehr von quälender Trauer erfasst, um irgendetwas anderes zu tun. Als meine Finger seine Lippen streifen, bemerke ich, dass sie warm sind. Ich wische mir die Tränen aus den Augen und untersuche Max
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