Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
mich verwandle. Einen flüchtigen Augenblick lang wünsche ich mir, sie hätten ihn nicht aus seiner Betäubung geweckt.
Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Kapitel 42
I ch habe mir keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie ich Martinez und die Frau, Marta, überwältigen soll. Ich bin ein Vampir. Ich bin stärker, schneller und tödlicher als jeder Mensch. Ich stehe still da und warte neugierig ab, was sie vorhaben mögen.
Marta zieht eine weitere Spritze aus der Tasche. Sie hält sie ins Licht und dreht sie hin und her, eine bizarre Zurschaustellung von Achtung vor der Substanz in ihrer Hand.
»Dies«, sagt sie, »ist etwas Besonderes. Es ist meine eigene Erfindung. Eine Droge, die Muskeln lähmt, aber die Sinne belebt. Genuss. Schmerz. Alles um ein Vielfaches gesteigert. Ihr Körper wird nicht reagieren können, aber Sie werden jeden Schnitt der Rasierklinge spüren, das Blut, das aus Ihrem Körper rinnt, Sie werden selbst erfahren, wie das Leben Ihnen langsam entgleitet. Und wenn Sie tot sind, werden wir dasselbe mit Max machen. Aber sein Leid wird noch größer sein, weil er vorher zugesehen hat, wie seine Geliebte unter unvorstellbaren Qualen starb, und er ihr nicht helfen konnte.«
Max versucht sich von dem Feldbett hochzurappeln. »Sie haben mich«, sagt er. »Lassen Sie Anna gehen. Sie hatte mit alldem nichts zu tun.«
Martinez stößt ihn zurück, legt eine Hand auf Max’ gebrochenen Knöchel und stützt sich schwer darauf.
Max stöhnt, windet sich vor Schmerzen, Schweißperlen bilden sich auf seinem Gesicht.
Seine Pein entfesselt die Bestie in mir. Martinez bemerkt nichts von der Veränderung. Er ist völlig auf die Schmerzen konzentriert, die sich auf Max’ Gesicht spiegeln. Er saugt den Anblick in sich auf und lächelt befriedigt. Er dreht sich erst um, als er das Heulen hört, das aus einem unbekannten Winkel tief in meinem Inneren hervorbricht. So viel rasender Zorn, so viel schierer Hass ist mehr, als ich beherrschen kann. Sie überwältigen mich und stoßen die menschliche Anna an einen Ort so tief unten, dass sie verschwindet. Vollständig.
Ich stürze mich auf Martinez, ehe er reagieren kann. Ich schleudere ihn zu Boden, fahre ihm mit den Klauen durchs Gesicht und reiße mit den Zähnen an seinem Hals. Blut spritzt aus zerrissenen Adern und tränkt unser beider Kleidung. Ich höre Marta kreischen, aber von weit, weit weg. Dann spüre ich einen scharfen Stich. Marta steht neben mir. Ich schlage ihre Hand beiseite, ziehe die Spritze aus meinem Arm und gehe wieder auf Martinez los. Ich drücke ihn mit meinem Körper nieder und zerreiße mit Klauen und Zähnen sein Fleisch. Ich will nicht nur trinken. Ich will ihm den Kopf vom Hals reißen. Meine Zähne graben sich in seinen Hals. Sein Mund ist offen, seine Lippen bewegen sich, doch falls er schreit, wird er vom Rauschen meines eigenen Blutes übertönt. Es kocht in meinen Adern und färbt die ganze Welt scharlachrot. Es ist alles, was ich fühle und schmecke. Blut. Heiß. Rot.
Sein Blut.
Mein Blut.
Dann.
Nichts.
Kapitel 43
Z unächst glaube ich, dass ich schlafe. Tief schlafe. Ich bin noch nicht bereit aufzuwachen.
Doch irgendetwas kriecht in mein Bewusstsein, drängt mich gegen meinen Willen, befiehlt mir, endlich zurückzukommen.
Meine Sinne gehorchen nur langsam. Geschmack und Geruch kehren als Erstes zurück. Der üppige, metallische Duft frischen Blutes trifft mich wie ein Schlag. Ich schmecke es auch, weit hinten in meiner Kehle.
Ich lecke mir die Lippen.
Die Augen öffne ich nicht. Ich bin noch nicht bereit dazu. Aber ich lausche. Es ist still. Mehr als still. Da ist überhaupt kein Geräusch. Keine Laute von Insekten oder Tieren. Keine menschliche Bewegung.
Totenstille.
Ich versuche, mich zu bewegen. Mein Körper ist schwer und träge. Ich liege. Das, worauf ich liege, ist rauh und riecht nach – was? Nach draußen. Ein bisschen nach Wild. Wie eine Camping-Decke, die ungewaschen auf einem muffigen Speicher verstaut wurde.
Woher kenne ich diesen Geruch?
Eine Erinnerung blitzt in mir auf. Mein Bruder und ich auf einem Camping-Ausflug. Zu lange her, um die Jahre zu zählen. In einem anderen Leben.
Wo bin ich?
Öffne die Augen.
Ich glaube, der Befehl kommt irgendwo aus meinem eigenen Kopf. Aber ich will die Augen nicht öffnen. Ich bin noch nicht bereit. Ich fürchte mich.
Wovor fürchte ich mich?
»Anna, machen Sie die Augen auf.«
Beim Klang der Stimme zucke ich zusammen. Ich weiche ein wenig zurück und hebe
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