Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
er.
Die Frau drängt sich ungeduldig an ihm vorbei. »Wir verschwenden Zeit«, faucht sie. »Ich will sehen, wie sie sich vor Schmerzen windet. Ich will ihre Schreie hören. Ich will, dass dieser Mann alles mit ansieht.« Sie zieht eine Spritze aus der Tasche. »Gib ihm das. Jetzt. Das bringt ihn zu sich.«
Martinez nimmt ihr die Spritze ab, stößt mich beiseite und rammt Max die Nadel in den Arm. Schneller, als ich es für möglich gehalten hätte, wird Max’ Blick klar. Rasch nacheinander zeichnen sich Empfindungen auf seinem Gesicht ab: Erleichterung, mich zu sehen, Unsicherheit, wie ich überhaupt hierherkomme, Grauen, als sein Erinnerungsvermögen wieder einsetzt. Dann trifft ihn der Schmerz und wird zum Mittelpunkt seiner Welt. Er stöhnt und lässt sich an die Wand zurücksinken.
Aus dem Augenwinkel nehme ich ein silbriges Blitzen wahr. Schmerz, weißglühend und brennend, rast meinen Arm empor. Ich drehe mich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie die Frau mit vor Wut verzerrtem Gesicht ein zweites Mal mit dem Messer ausholt. Ich strecke die Hand aus und packe ihre mitten in der Luft. Ihr erstaunter Blick wäre amüsant, wenn ich nicht so wütend wäre. Ich dränge sie rückwärts gegen Martinez. Auch er ist verblüfft über meine blitzschnelle Reaktion.
Ich verdrehe den Arm der Frau, bis sie das Messer fallen lässt. Dann verdrehe ich ihn noch ein Stück weiter. »Wer sind Sie?« Das kommt als Zischen über meine Lippen.
Sie hat sich gefasst. Sie ist nicht eingeschüchtert und zeigt keine Reaktion auf den Schmerz. Sie lehnt sich nur ein wenig zu mir vor, um den Druck zu mindern. Ihre Miene ist trotzig. Sie beugt sich dicht zu mir heran und flüstert: »Burke hatte also recht. Sie sind ein Vampir.«
Ihre Augen glitzern vor Eifer und einem Abglanz des Wahnsinns, den ich in Martinez’ Augen gesehen habe. »In welcher Beziehung stehen Sie zu dieser Hexe? Sind Sie eine ihrer Anhängerinnen?«
Sie lacht. »Nein. Ich bin keins von diesen Kindern. Und Burke ist keine Hexe.« Herausfordernd reckt sie das Kinn. »Sie können sich gar nicht vorstellen, was sie ist.«
»Warum sagen Sie es mir dann nicht?« Die Ungeduld ruft das Tier in mir auf den Plan. Ich spüre, wie mein Blut schneller strömt, und in mir erwacht die Gier danach, dieser selbstgefälligen Frau Antworten zu entreißen. Ich bringe mein Gesicht dicht vor ihres, lasse sie in meinen Augen lesen und die kochende Wut dort sehen.
Martinez bricht den Bann. Er packt die Frau am Arm und reißt sie zurück. »Dazu haben wir sie nicht hierher geholt. Hast du das vergessen?«
Einen Augenblick lang glaube ich, sie würde ihn schlagen. Der Hass auf ihrem Gesicht ist so intensiv, dass ich mich frage, in welcher Beziehung die beiden zueinander stehen. Offensichtlich ist sie keine Bedienstete, wie ich anfangs dachte.
Ich lege so viel Verachtung in meine Worte, wie ich nur kann. »Wer ist diese Frau, die Sie so von oben herab behandelt?«
Vielleicht nicht die klügste Frage. Beide wirbeln zu mir herum, und die Feindseligkeit, die vorher zwischen ihnen knisterte, richtet sich nun gegen mich.
Max stöhnt, und wir alle drei drehen uns zu der Pritsche um. Ich nehme seine Hand. »Max.«
Er blickt zu mir auf, seine Augen sind von Schmerz verschleiert. »Wie kommst du hierher? Warum bist du gekommen?«
Ich setze mich auf die Bettkante, vorsichtig, um sein verletztes Bein nicht zu berühren. »Foley hat mich hergebracht. Ich bin deinetwegen gekommen.«
»Foley?« Der erste Funken echten Lebens, Zorn, blitzt in seinen Augen auf. »Wo ist er?«
Ich schaue zu Martinez hoch. »Er hat ihn erledigt. Foley ist tot.«
»Anna.«
So viel Kummer und Reue, ein so heftiger Selbstvorwurf liegen in diesem einen Wort, dass es mich beinahe überwältigt, wie er meinen Namen sagt. Trotzdem lasse ich meine Stimme hart klingen, als ich erwidere: »Wir schaffen das schon, Max. Versprochen.«
Martinez lacht. »Ja, dir wird nichts passieren, Max.« Er wendet sich von uns ab. »Marta, bist du bereit, das hier zu beenden?«
Marta. Irgendwie passt der Name zu ihr. Barsch, misstönend. Der richtige Name für den bösartigen Geist, den diese Frau ausstrahlt.
Sie beobachtet mich, als könnte sie meine Gedanken lesen. Sie nickt. »Ja, mijo , ich bin bereit.«
Das spanische Wort ist ein Kosename. Ist sie mit Martinez verwandt?
Sie zerrt mich von dem Feldbett. Ich lasse es zu. Ich bin auch bereit, es zu beenden. Meine einzige Sorge ist, was geschehen könnte, wenn Max sieht, wie ich
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