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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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er ihr Gesicht, prüfte, ob es noch feucht war, ob sie Fieber hatte, und dachte, dass es für ihnetwas Neues war, jemanden zu pflegen, denn er war daran gewöhnt, dass er gepflegt wurde, aber es schadete nichts, wenn er es lernen würde, und wenn er vorhin an diese Woche als eine Art Schnellkurs gedacht hatte, als eine berufliche Weiterbildung, dann ging es vielleicht genau darum, und plötzlich empfand er ihr gegenüber Dankbarkeit für alles, er verzieh ihr, dass er um drei Uhr nachts für sie hatte draußen herumlaufen müssen, im Regen, und dass sie ihn noch einmal losgeschickt hatte, um Tee zu besorgen, den sie dann kaum getrunken hatte, dass sie schnell kam und dreißig Sekunden später aus dem Bett sprang, egal, ob er gekommen war oder nicht, und dass sie Sascha von ihm erzählt hatte. Er verzieh ihr sogar, dass er ihretwegen hatte lügen müssen, er verzieh ihr, dass er eine Fahrt nach Washington hatte erfinden müssen, und diese Woche, die erst vor vier Stunden begonnen hatte, kam ihm jetzt nicht mehr wie ein Kurs vor, eher wie eine Prüfung, eine Prüfung, die jeder normale Mensch in jungen Jahren absolvieren muss und zu der er als Einziger mit einer entsetzlichen Verspätung kam, ein alternder Student, vielleicht weil man ihn immer zu sehr verwöhnt hatte und nie von ihm verlangt wurde, andere zu verwöhnen, und er dachte, dass es in der Prüfung vielleicht genau darum ging, nicht verwöhnt zu werden, sondern zu verwöhnen, und dass seine Schwierigkeiten mit Eva etwas Gutes hatten, denn sie ermöglichten ihm, geprüft zu werden, sie ermöglichten ihm, sich zu verändern, und was bedeutete Liebe, wenn nicht die Kraft zur Veränderung. Sich zu verändern ist die größte Leistung, und mit diesen Gedanken und mit der Hand auf Evas warmer, feuchter Wange und mit dem Entschluss, jede Schwierigkeit als eine Chance oder eine seltene Gelegenheit zu betrachten, fiel er in einen tiefen Schlaf.

4
Dienstag, 19. Oktober, 03:11
    Â 
    Das Leben ist seltsam. Ich wusste, dass ich ihn heute treffen würde. Ich wusste nur nicht, wo es passieren würde. Und natürlich traf ich ihn. Im Schwimmbad. Am Abend. Fast ein ganzes Jahr lang, seit Dezember, hatte ich mich vor der Möglichkeit eines solchen Treffens gefürchtet. Aber jetzt ist meine Angst vorbei. Ist es wegen dir?
    Â 
    Anfangs versuchte er, mich zu ignorieren, aber ich ließ es nicht zu. Warum nur muss immer ich die starke Seite sein? Danach wollte er die ganze Nacht mit mir zusammenbleiben. Wir verbrachten sechs gemeinsame Stunden. Gerade ist er weggegangen. Jetzt schläft in unserem Haus niemand mehr.
    Â 
    Auch meine Mutter ist in einer Krise. Sie hat zwei Stunden am Stück telefoniert, bis vor wenigen Minuten. Und Lena ist nicht da. Vom Fenster sieht man nur die orangefarbenen Lichter der Straßenlaternen. Und in der Kurve die Synagoge. Es ist drei Uhr morgens.
    Â 
    Adam, wir waren nie nachts um drei Uhr zusammen. Glaubst du, dass wir es je sein werden?
    Eva
    Â 
    Â 
    Mittwoch, 20. Oktober, 14:20
    Â 
    Warum willst du alles über mich und Sascha wissen?
    Bist du besitzergreifend?
    Sag mir, dass du das nicht bist.
    Â 
    Heute Morgen hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem Physiker. Ich bat ihn um Geld. Ich hoffe, dass diese Einzelheiten über mein Leben dich nicht langweilen. Es ist mir aufgefallen, dass Physiker Familienmenschen sind. Normalerweise verlieben sie sich nicht. Sie lassen sich nicht scheiden. Ihre Bücher widmen sie ihren Frauen oder ihren Kindern. Es ist erfreulich, unter all diesen mustergültigen Professoren einen zu finden, der Frauen mag und das auch nicht verbirgt.
    Â 
    Ich sagte Gabi, so heißt er, es tue mir leid, dass es etwas so Schnödes sei, was mich zu ihm geführt habe. Ich sagte, dass ich einen Doktorvater suche und eines der Kriterien Geld sei. Forschungsfonds, die mich finanzieren könnten. Er lächelte und fragte, ob ich Lust auf einen Kaffee hätte. Ich sagte, für eine Tasse Kaffee reiche mein Geld noch. Wir gingen zum Haus Belgien (wohin sonst?), und er bestand darauf, für mich zu bezahlen. Ich weigerte mich zuerst, dann gab ich nach. Er versprach mir Geld für die Reisen, aber nicht das Stipendium, das ich benötige. Ich sagte, ich verstünde, dass er mir nichts versprechen könne, weil er mich noch nicht kenne. Hört sich das arrogant an? Später, auf dem Weg zur Mensa, ging ich zum

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