Dunkle Materie
hatte, und er dachte, so ist es, das Leben ist einem immer zwei Schritte voraus, und wenn man sich schon entschlieÃt, die Wahrheit zu sagen, erreicht man nur den Anrufbeantworter.
Er dachte daran, dass, wenn er mit Ruth schlief, öfter das Telefonklingelte, sie hörten die Ansage und anschlieÃend die Nachricht des Anrufers, und die Anwesenheit eines anderen Menschen, zumindest akustisch, erregte Ruth, eigentlich erregte es sie beide, eine perverse Erregung, als hätten sie jemanden ins Zimmer gelassen, der sie nun beobachtete, und die Art der Erregung und ihr Ausmaà hingen mit dem Inhalt der Nachricht und mit der Person zusammen, die sie hinterlieÃ, da gab es zum Beispiel einen jungen Arzt, einen Kollegen von Ruth am Mount Sinai, dessen Nachrichten Ruth immer besonders gierig machten.
Der Satz, wir können gerade nicht ans Telefon gehen, der aus dem öffentlichen Telefon in sein Ohr gedrungen war, bekam im Laufe der Jahre, wenigstens in seinem und Ruths Bewusstsein, eine intime Bedeutung, wurde zu einer Art sauberer Benennung für das, was gerade geschah, und das in einem AusmaÃ, dass sie manchmal im Spaà überlegten, ihn durch einen anderen zu ersetzen, zum Beispiel, wir vögeln gerade, aber ihr könnt reden, wir hören zu, und plötzlich dachte er, und was war, wenn Ruth jetzt nicht antwortete, weil sie gerade mit einem Liebhaber im Bett lag, was war, wenn sie jetzt mit ihm über diesen Satz, wir können gerade nicht ans Telefon gehen, lachte, so wie sie es tat, wenn sie mit ihm schlief?
Er fragte sich, ob es gut oder schlecht war, dass er keine Nachricht hinterlassen hatte, und was sie fühlen würde, wenn sie von ihm eine Nachricht bekam, während sie es mit einem anderen trieb, zum Beispiel mit diesem jungen Arzt, würde es sie wilder machen, würde sie ihn kratzen, würde sie schreiend kommen, ein Mal nach dem anderen, würde sie ihm erlauben, in ihren Mund zu spritzen?
Der Sex mit Eva war nicht so wild wie der Sex mit Ruth, aber es war erst der Anfang, er spürte, dass sich noch alles ändern konnte, es gab Momente, da kam es ihm vor, als konzentriere sich Eva nur auf sich und ihr Vergnügen, aber in anderen Momenten, wie zum Beispiel gestern Nacht, schaffte sie es, ihn auf eine ungekannteArt zu erregen, und auch wenn sie sich so sehr auf sich selbst konzentrierte, dass sie ihn völlig vergaÃ, etwas, was Ruth nie tat, gefiel ihm das, er genoss es, ihr Lust zu bereiten, sie so weit zu bringen, dass sie die Kontrolle verlor, zu hören, wie ihr Atem heftiger wurde, die Konzentration in ihren Augen zu sehen und zu fühlen, wie sie sich an ihn klammerte, wie ihr Atem noch schneller wurde, wie bei einem kleinen Tier, bis zum Höhepunkt, wenn sie flüsterte, ho, Adam, ja, für diesen Augenblick war er bereit, viel zu geben, mit der Zeit waren sie geschickt geworden und sprachen von neunzig Prozent Erfolg, und der Erfolg wurde immer daran gemessen, ob sie einen Orgasmus hatte, mit ihm hatte es nichts zu tun, doch vielleicht war es besser so, manchmal glaubte er, zu spüren, wie sie kam, sei genussvoller, als selbst zu kommen.
Vielleicht war es diese Umkehrung, die er bei Eva suchte, denn Ruth hatte ihm immer Vergnügen bereitet, und nun war er es, der einer anderen Frau Vergnügen bereiten würde, vorausgesetzt, er fand sie, das heiÃt Eva, die vielleicht doch keinen so groÃen Gefallen an seiner Lustbereitung gefunden hatte, schlieÃlich war es eine Tatsache, dass sie nach vierundzwanzig Stunden verschwunden war, und nun waren schon zwei Stunden vergangen, und er hatte noch nicht einmal den geringsten Anhaltspunkt.
Weil er aber nun mal in der 57. StraÃe war, dachte er, es wäre besser, vorher nach Hause zu gehen und Ruths Buch an seinen Platz zu legen, obwohl die Gefahr bestand, dass Ruth doch zu Hause war, dass sie nicht ans Telefon gegangen war, weil sie mit etwas anderem beschäftigt war, er beschloss, in die Richtung seiner Wohnung zu gehen und zu schauen, ob es ein Zeichen gab, ob Ruths Auto auf dem gewohnten Parkplatz stand, und wer weiÃ, wenn er nur lange genug wartete, würde er vielleicht Ruths Liebhaber sehen, wenn er nach dem Fick das Gebäude verlieÃ.
Er ging hinunter ins Erdgeschoss von Borders, dann trat er in das grelle Licht der StraÃe, es war um die Mittagszeit, sechsunddreiÃigStunden seit Evas Landung in New York, und er überlegte, dass sich seit ihrer Ankunft so vieles
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