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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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mir Komplimente. Gabi wird für mich Bœuf Bourguignon kochen.
    Â 
    Nein, ich glaube nicht, dass ich der einzige Gast bei diesem Abendessen bei Gabi bin. John wird dort sein. Der Astrophysiker aus England. Das Abendessen ist für ihn. Und ich bin sicher, dass es noch mehr Gäste gibt.
    Â 
    Aber (und vielleicht ist es schlecht, richtig absurd, wenn ich darüber nachdenke) weißt du, was mich heute am meisten bewegt hat? Gabi erzählte mir, dass es an der Columbia University einen großen Experten zu meinem Sachgebiet gibt. Und Columbia ist in New York, Adam. Er hat sogar einen Studentenaustausch als Möglichkeit erwähnt, vielleicht schickt er mich für ein Jahr nach New York, zur Fortbildung.
    Â 
    Ist es immer noch dein Zauber?
    Â 
    Es stimmt, dass ich kaum schreibe, aber ich denke an dich. Sogar wenn ich einfach 4x4-Matrizes multipliziere. Vielleicht mache ich deshalb so viele Fehler.
    Eva
    Â 
    Â 
    Montag, 15. November, 19:20
    Â 
    Und wieder bin ich hier, im Rechenzentrum des Physikgebäudes, unter dem blassen Neonlicht, umringt von so vielen ernsthaften Wissenschaftlern. Alle arbeiten an ihren Artikeln, nur ich schreibe dir. In einer Stunde fängt das Abendessen bei Gabi an und ich bin todmüde.
    Es ist mir aufgefallen, dass du fast nur über Liebe schreibst.
    Vielleicht sollten wir zur Abwechslung ein anderes Thema ausprobieren?
    Â 
    Du hast einmal in Jerusalem, nach einer Matinee im Kino Smadar, zu mir gesagt, dass du mich nicht als Freundin haben möchtest, du hättest genug Freunde.
    Das hat mich geängstigt.
    Denkst du immer noch so?
    Â 
    Heute bin ich ganz durcheinander, kann mich nicht konzentrieren. Ich bin noch so jung, verstehst du das? Ich habe den größten Teil meines Lebens noch vor mir, und manchmal fühle ich mich wie ein halb gebackenes Brötchen. Was wird mit mir in zehn Jahren sein, wer kann das wissen. Oder in einer Woche?
    Â 
    Heute war ich wieder mit John aus, Gabis Kollegen aus Cambridge. Gabi war beschäftigt und bat mich, John einige Stunden zu unterhalten. Ich bin mit ihm in das Restaurant vom Haus Belgien gegangen.
    Â 
    Es war eine Katastrophe. Ich merkte, wie seine Ablehnung mir gegenüber von Minute zu Minute größer wurde. Seine Auffassung von Physik ist eine ganz andere als meine. Er hat eine Liste von Themen, mit denen er sich beschäftigen will, und ersetzt seine Arbeit von einem Punkt zum anderen fort, mit der Entschiedenheit eines Bulldozers. Es sitzt ewig in den Bibliotheken. Er liest die ganze Fachliteratur, beginnt jeden Tag damit, im Internet in den Forschungs-Websites zu surfen, informiert sich über die neuesten Veröffentlichungen. Und seine Veröffentlichungen sind Variationen von Artikeln anderer.
    Â 
    Ich glaube, dass wissenschaftlicher Fortschritt keine fließende logische Abfolge ist, sondern etwas Revolutionäres, Umstürzlerisches. Etwas aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Zum Beispiel die kopernikanische Wende. Oder die Gesetze von Newton. Oder die Prinzipien der Relativitätstheorie. Oder das Prinzip der Unschärferelation von Heisenberg. Das intensive Wühlen in Enzyklopädien reicht für solche konzeptuellen Revolutionen nicht aus. Im Gegenteil, es kann sogar schaden. (Vielleicht ist Unwissenheit auch ein Vorteil.)
    Ich möchte glauben, dass Forschung mehr eine Sache von Inspiration und Schönheit ist. Von verblüffenden Ideen, die dann auftauchen, wenn man sie am wenigsten erwartet. Sogar nachts im Bett. Oder in der Badewanne. Das Vergnügen, neue Fragen zu stellen, sich nicht auf verbrauchte Fragen zu konzentrieren, oder ein frischer, außergewöhnlicher Blick auf dasselbe Datensystem.
    Â 
    Ich habe gespürt, dass John und ich sehr unterschiedlich sind. Aber der Gipfel war, als er mich fragte, ob ich bei politischen und gesellschaftlichen Themen aktiv bin. Ich habe gesagt, nein. Ich habe gesagt, dass ich erst vor zwei Jahren nach Israel kam, dass ich ein Produkt der postideologischen Ära bin.
    Â 
    Aber nach dem Essen, als ich John in Gabis Zimmer zurückbrachte (wir haben uns kaum verabschiedet), wurde mir klar, dass ich überhaupt nicht das Bedürfnis habe, mich zu entschuldigen. Ich liebe Schönheit. An Worten. An Menschen. An mathematischen Ideen. An Blumen. An Gesten. An Frauen. An Blättern von Bäumen. An Fragen, die keine Antwort haben. An ziehenden Wolken. An zwei Menschen, die sich plötzlich ohne

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