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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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Und du denkst jetzt bestimmt, dass ich aufgehört habe, dir zu schreiben. Dieses Internet wird noch einen von uns töten.
    Â 
    Ich habe versucht, dich telefonisch im Konsulat zu erreichen, aber irgendeine Frau hat gesagt, du könntest jetzt keine Anrufe entgegennehmen. Das war sicher deine Sekretärin Anat. Sie war kalt wie ein Gletscher. Sie hat mich gefragt, wie ich hieße und in welcher Angelegenheit ich anriefe.
    Â 
    Ich habe jetzt große Sehnsucht nach dir, ich hatte eine Heidenangst vor diesem Moment, und jetzt ist es für mich schon so wie im Dezember.
    Â 
    Seltsam, vor zwei Monaten habe ich noch nicht einmal gewusst, dass es dich gibt, und jetzt verliere ich schon die Nerven, wenn ich einen Tag lang keine Mail von dir bekomme. Schreib mir, wenn du diese Mail bekommen hast.
    Ich bin noch online.
    Eva
    Â 
    Â 
    Mittwoch, 17. November, 17:25
    Â 
    Du hast immer noch nicht geschrieben.
    Ich habe hier ein riesiges Zimmer mit einem unglaublichen Doppelbett (welch eine Verschwendung …), dazu einen Arbeitstisch und einen Wandschrank und einen herrlichen Blick auf das Tote Meer.
    Ich habe mich gefragt, ob unser Zimmer in New York auch so sein wird und ob wir es wirklich die ganze Woche nicht verlassen werden.
    Â 
    Nach dem Frühstück habe ich mich heute plötzlich sehr schwach gefühlt. In den letzten Tagen passiert mir das oft, habe ich dir das schon erzählt? Ich habe es kaum die Treppe hinauf zu meinem Zimmer geschafft. Mir war übel. Ich musste mich zwei Stunden auf dem riesigen Doppelbett ausruhen und alles verdauen. Den Käse, den Fisch, die Salate, den Pfannkuchen. Danach, statt zu Mittag zu essen, habe ich mich übergeben. Vielleicht werde ich das Abendessen auch auskotzen.
    Â 
    Ich sitze jetzt am Fenster, schaue hinunter auf das Tote Meer, das wie ein riesiger Spiegel aussieht, und hinüber zu den rosafarbenen Bergen auf der jordanischen Seite, haben sie eigentlich einen Namen? Ich schreibe dir und warte auf eine Mail von dir, und zwischendrin bereite ich die Folien vor, für meinen Vortrag morgen, über die Theorie des inflationären Universums.
    Â 
    Seltsam, wie viele scharfe Wendungen das Leben in einer so kurzen Zeit nehmen kann. Vor einem Jahr war ich sicher, dass ich Sascha heiraten werde (das habe ich mir wenigstens eingeredet). Und jetzt ist alles ganz anders. Letztes Jahr war ich voller Ängste, ich war bereit, die Augen zuzumachen und alles für die Sicherheit zu opfern. Und jetzt, vielleicht zum ersten Mal, riskiere ich etwas. Vielleicht stimmt es, was man sagt: Erst wenn man in den Abgrund fällt und den Schweiß und die Angst am ganzen Körper spürt, ist man in der Lage, mit dem Angsthaben aufzuhören.
    Â 
    Soll ich dir von einem anderen Zufall erzählen? Genau vor einem Monat habe ich Sascha zufällig im Schwimmbad der Universität getroffen und ihm von dir erzählt (erinnerst du dich, Adam? Wie viel Spannung es zwischen uns gegeben hat? (Damals haben wir gedacht, dass wir uns gut kennen, aber es ist nichts im Vergleich zu heute. Damals habe ich gedacht, dass ich dich liebe, aber
    Â 
    Ich bin plötzlich so schwach und verheddere mich so in den Klammern, dass ich den Satz nicht beenden kann.
    Â 
    Â 
    Mittwoch, 17. Oktober, 19:00
    Â 
    Ich habe gelesen, was du gerade geschickt hast, und fühle mich angefault. Meine ganze Energie ist weg und ich bin einfach traurig. Bist du jetzt auch traurig?
    Haben wir es endlich geschafft, synchron zu sein und das Gleiche zu fühlen?
    Â 
    Du hast recht, deine und meine Mails gehen in verschiedene Richtungen. Vielleicht liest du sie in einigen Tagen noch einmal?
    Â 
    Adam, ich spüre, dass es so einfach wäre, meinem Leben ein Ende zu machen. Was soll ich tun, wenn ich keinen Grund dafür finde weiterzumachen? Kein einziges Argument? Was soll ich tun, wenn der Preis, den ich zahlen muss, größer ist als die Glücksmomente, die ich hatte?
    Â 
    Ich weiß, dass ich einen Nachmittag lang glücklich war, Anfang Oktober, auf einem Felsen, in deinen Armen. Das weiß ich.
    Aber es ist lange her.
    Â 
    Es geht mir nicht gut mit mir selbst. Wie kannst du mich lieben, wenn ich so hilflos bin? Gleich gibt es Abendessen, aber ich habe keine Kraft dafür, ich habe für nichts Kraft (als hätte ich Jetlag).
    Â 
    Weißt du, nach der Mail, die du gerade geschickt hast, mit all den Vorwürfen und Forderungen, habe ich keine große Hoffnung

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