Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
konnte einen halben Tag ohne sie auskommen. Eigentlich war es vielmehr so, dass der Betrieb, so wie Stella ihn führte, eine ganze Woche ohne sie auskommen konnte. Wenn sie das Bedürfnis hatte, konnte sie ihren ersten richtigen Urlaub nehmen seit – wie lange war es her? Drei Jahre, stellte sie fest.
Doch sie hatte kein Bedürfnis danach.
Zu Hause fühlte sie sich am wohlsten; warum sollte sie sich also die Mühe machen, zu packen und die Strapazen einer Reise auf sich nehmen, nur um irgendwo anders zu landen?
Als die Jungen heranwuchsen, war sie mit ihnen jedes Jahr woanders hingefahren. Disney World, Grand Canyon, Washington D.C., Bar Harbor und so weiter. Kleine Kostproben des Landes, manchmal aus einer Laune heraus ausgesucht, manchmal lange im Voraus geplant.
Dann waren sie für drei Wochen nach Europa gereist. War das nicht eine tolle Zeit gewesen?
Es hatte sie einige Nerven gekostet, drei quirlige Jungen herumzudirigieren; manchmal war sie am Rande der Verzweiflung gewesen, manchmal hysterisch, aber, oh, es war die Mühe wert gewesen.
Sie konnte sich noch erinnern, wie gut Austin die Walbeobachtungstour in Maine gefallen hatte, wie Mason in Paris darauf bestanden hatte, Schnecken zu bestellen, und wie Harper es geschafft hatte, im Adventureland verloren zu gehen.
Diese Erinnerungen würde sie gegen nichts auf der Welt eintauschen.
Anstelle eines Urlaubs konnte sie sich auf andere Dinge konzentrieren. Vielleicht war es an der Zeit, darüber nachzudenken, der Gärtnerei ein kleines Blumengeschäft anzuschließen.
Frische Schnittblumen und Sträuße. Lieferungen vor Ort. Das würde natürlich ein weiteres Gebäude erforderlich machen, ein größeres Lager, noch mehr Angestellte. Aber in ein, zwei Jahren war es vorstellbar.
Sie würde ein paar Zahlen durchgehen müssen, um zu sehen, ob das Geschäft das Startkapital aufbringen konnte.
Um die Gärtnerei in Gang zu bringen, hatte Roz einen Großteil ihrer persönlichen Ersparnisse hineingesteckt. Doch sie war bereit gewesen zu pokern. Priorität hatte für sie stets gehabt, dass ihre Kinder gut behütet und versorgt waren. Und dass Harper House gepflegt und beschützt wurde und in der Familie blieb.
Das hatte sie geschafft. Obwohl es Zeiten gegeben hatte, die ihren ganzen Einfallsreichtum erforderten und ihr die eine oder andere schlaflose Nacht beschert hatten. Vielleicht war Geld für sie nicht das Schreckensthema gewesen, das es so oft für allein Erziehende war, aber doch immerhin ein Thema.
Das Gartencenter war nicht nur eine Laune gewesen, wie manch einer geglaubt hatte. Sie war darauf angewiesen gewesen, dass Geld hereinkam, und sie hatte verhandelt, gepokert und getrickst, um es zu bekommen.
Roz war es gleichgültig, ob die Leute sie für reich wie Krösus hielten oder für arm wie eine Kirchenmaus. In Wirklichkeit war sie weder das eine noch das andere, doch mit dem, was ihr zur Verfügung stand, hatte sie sich und ihren Kindern ein angenehmes Leben ermöglicht.
Wenn sie nun also ein wenig verrückt sein und Weihnachtsmann spielen wollte, hatte sie es sich verdient.
Sie wirbelte durch das Einkaufszentrum und geriet in einen solchen Kaufrausch, dass sie zweimal mit Tüten zu ihrem Wagen laufen musste. Da sie jedoch keinen Grund sah, warum sie es gut sein lassen sollte, steuerte sie auf den Wal-Mart zu, um dort die Spielzeugabteilung zu durchforsten.
Wie üblich fielen ihr, kaum dass sie den Laden betreten hatte,
ein Dutzend anderer Dinge ein, die sie bestimmt gebrauchen konnte. Ihr Einkaufswagen war schon halb voll, und sie war viermal stehen geblieben, um mit Leuten, die sie kannte, ein paar Worte zu wechseln, bevor sie die Spielzeugabteilung erreichte.
Fünf Minuten später fragte sie sich, ob sie einen zweiten Wagen brauchen würde. Mühsam balancierte sie ein Paar riesiger Kartons auf dem Berg übriger Einkäufe, während sie um eine Ecke bog.
Prompt stieß sie mit einem anderen Einkaufswagen zusammen.
»Entschuldigung. Anscheinend kann ich nicht … oh. Hallo.«
Schon seit Wochen hatte sie Dr. Mitchell Carnagie nicht mehr gesehen, den Ahnenforscher, den sie – mehr oder weniger – beauftragt hatte. Es hatte ein paar kurze Telefonate gegeben, einige geschäftsmäßige E-Mails, aber begegnet waren sie einander kaum seit jenem Abend, an dem er zum Essen gekommen war. Und an dem sie schließlich den Geist der Harper-Braut gesehen hatten.
Mitch war ein interessanter Mann, fand Roz, und sie rechnete es ihm hoch an, dass er nach
Weitere Kostenlose Bücher