Dunkle Schatten (German Edition)
angebliche Selbstmord kann so nicht gewesen sein.
Cench sieht es so und wir alle wohl auch. Den müssen gewisse Leute erpresst und
unter Druck gesetzt haben, bis er nicht mehr konnte. Vielleicht wollte er
auspacken und ist dadurch zu einer Gefahr geworden. Sich bei Selbstmord mit
einem Jagdgewehr in den Hinterkopf zu schießen, ist einfach absurd. Lauf in den
Mund stecken und abdrücken, ja, alles andere ist unlogisch. Wahrscheinlich
wollte man mit diesem, ich sage jetzt bewusst, Mord eine Warnung an alle
Betreffenden senden, nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Inzwischen ist auch in
den Medien einiges durchgesickert.«
Bis jetzt hat Panker sich im Hintergrund gehalten, doch nun schaltet er
sich mit seiner sonoren Stimme ins Gespräch ein. »Dieser Packen vor mir ist für FNews bestimmt. Ich habe seit längerer Zeit einen Auftraggeber, der an
den Vorgängen rund um Midas und seine Kumpane äußerst interessiert ist. Davon
weiß niemand, nicht einmal die zuständigen Polizeiabteilungen. Ich bin an Midas
und Konsorten schon seit einigen Jahren dran, eigentlich ziemlich bald nach
seinem Ausscheiden aus der Regierung. Mein Auftraggeber bleibt anonym, wundert
euch daher nicht, dass in den Papieren manche Stellen geschwärzt sind. Es dient
nur zu seinem Schutz. Er will nicht in Erscheinung treten, doch ich denke,
damit können wir leben.« Panker klopft mit seiner Pfeife auf den Stapel Mappen
vor ihm. »Das wird einigen Staub aufwirbeln, wenn es publik wird, und sehr viel
Licht in diese für Laien kaum durchschaubaren Firmengeflechte und Netzwerke des
sauberen Herrn Midas mit Sitzen in allen möglichen Ländern bringen. Ich habe
morgen einen Termin mit meinem Auftraggeber und werde ihn in unser Projekt
einweihen. Wenn er einverstanden ist, dann publizieren wir diese Unterlagen.
Dann wird Freund Midas mit seinen Spießgesellen mit hoher Wahrscheinlichkeit
sehr bald aus dem Blechnapf fressen. Ist das für euch in Ordnung?«
»Wir haben auch unseren großen Unbekannten im Hintergrund«, lacht
Kokoschansky, »daher sind wir quitt. Oder hat wer Einwände?« Er blickt in die
kleine Runde, alle stimmen zu. Sein Cryptophone piepst, eine SMS von Mitnick.
»Finde in unterschiedlichen Dateien andauernd das Kürzel NaQ. Kannst du
etwas damit anfangen. LG M.«
Kokoschansky überlegt. Firmenname, kann sein. Kann auch nicht. Ein Code?
»Was ist passiert?«, fragt Lena.
»Nein, nein. Alles okay. Das war nur unser Freund. Kann sich wer einen Reim
auf NaQ machen? Groß N, klein A, groß Q.«
Wolfram Panker nuckelt an seiner Pfeife, stößt dabei wie eine Lokomotive
ununterbrochen kleine Rauchwolken aus. »Nazeem al-Qatr …«
»Moment«, grübelt Kokoschansky, »das ist doch …«
»Richtig«, Panker klopft etwas Asche aus dem Pfeifenkopf in einen
Aschenbecher, »der war der beste Freund des verunglückten Kärntner
Landeshauptmannes Marius Höger im arabischen Raum.«
»Mit festem Wiener Wohnsitz in einer Villa in Grinzing«, trägt Petranko
seinen Anteil dazu bei.
»Und klingelt es jetzt nicht?«, fragt Panker.
»In dieser Gegend wurden neulich Leichenteile einer Frau gefunden«, sagt
Kokoschansky leise, »nur der Kopf fehlt bisher. Ich sehe deinem Gesicht an,
Wolfram, du weißt mehr. Bei unserem Treffen im Burgenland kam kurz die Rede auf
diesen Club 50.000 und dass es eventuelle Verbindungen zu Nazeem al-Qatr geben
soll, doch dann sind wir wieder abgeschweift.«
»Nicht eventuell«, stellt Panker richtig, »sowohl diesen Club gibt es,
wie auch die Verbindungen zu dem Araber existieren. Es ist kein Club im
eigentlichen Sinne, sondern eine Art Geheimbund sehr honoriger Herren,
zumindest stellen sie sich so in der Öffentlichkeit dar. Wenn man so will, ist
die Villa eine Art Zentrale, und Nazeem al-Qatr ist der Organisator. Ich habe dieses
Gerücht immer wieder gehört, bis ich einen meiner Mitarbeiter als
Hausangestellten einschleusen konnte. Dort werden Orgien der übelsten Art
veranstaltet. Wer es sich leisten kann, legt 50.000 Euro auf den Tisch, die
denjenigen berechtigen, dreimal an unterschiedlichen Rudelbumsereien
teilzunehmen. Danach sind wieder fünfzig Scheine fällig. Natürlich gibt es
keine offiziellen Einladungen. Das läuft über Mundpropaganda und Codewörter.
Wer von euch Eyes Wide Shut, den letzten Film von Stanley Kubrick nach
Schnitzlers Traumnovelle, gesehen hat, kann sich vorstellen, was ich meine.
In diesen Fünfzigtausend ist alles inkludiert, von abartigsten
Perversionen bis zum einkalkulierten Tod
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