Dunkle Schatten (German Edition)
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Wahrscheinlich ist eine Papstaudienz leichter zu erlangen als eine
Einladung zu den begehrten Soireen von Markus Schloimo in seinem Wiener
Stadtpalais an der Ringstraße. Auch dieses Mal lässt der Hausherr sich nicht
lumpen und verwöhnt seine handverlesenen Gäste mit Augen-, Ohren- und
Gaumenschmaus. Kameras sind verpönt, Journalisten unerwünscht, selbst
Handyfotos werden nicht geduldet. Sollte dennoch jemand unter den Gästen gegen
diese eiserne Regel verstoßen, entzieht Schloimo ihm gnadenlos für immer seine
Gunst. Hier trifft sich die tatsächliche Elite, die keinen Wert auf
Öffentlichkeit legt, auf keinen Fall mit Kreti und Pleti in den diversen
Gazetten und Societysendungen in einem Atemzug genannt werden will. Passiert es
dennoch, fahren Anwälte sofort mit schweren Geschützen auf.
Das mehrgängige Dinner, zubereitet von mehreren Haubenköchen, mit
Spezialitäten aus aller Welt war vorzüglich. Danach bat der Gastgeber in einen
der zahlreichen Salons zu einem besonderen Kunstgenuss.
Nach den letzten Klängen der Wahnsinnsarie aus Gaetano Donizettis Lucia
di Lammermoor minutenlang stehende Ovationen, Bravo- und Da-capo-Rufe für die
Sängerin, die strahlend die Beifallsbekundungen entgegennimmt, immer wieder
Knickse macht und Kusshändchen wirft.
Markus Schloimo löst sich mit einem riesigen Strauß exotischer Blumen aus
der Zuhörerschar, küsst der Diva galant die Hand und überreicht mit
überschwänglichen Dankesworten das floristische Meisterwerk.
Nachdem die Sängerin mit ihrem Pianisten in einem Nebenraum verschwunden
ist, lässt auch Schloimo sich von seinen Gästen zu diesem großartigen Coup
gratulieren, gönnt sich ein paar Schlucke Champagner, als ihm Adolphe
Mannsbergkh-Souilly jovial die Hand auf die Schulter legt.
»Mein lieber Markus«, lobt der Adelige ihn, »du hast dich wieder einmal
selbst übertroffen. Karina war wundervoll, geradezu überirdisch«, und mit einem
bedeutungsvollen Lächeln raunt er ihm ins Ohr, »ich hoffe doch sehr, du kannst
ihre sicherlich nicht unbeträchtliche Gage von der Steuer absetzen. Hast du ein
paar Minuten Zeit für mich? Ich möchte gerne ein paar Takte mit dir sprechen.«
»Aber selbstverständlich, Adi.« Schloimo nimmt seinen Freund und
jahrelangen Geschäftspartner am Arm, »am besten wir gehen in die Bibliothek
hinüber. Dort sind wir ungestört.« Kurz wendet Schloimo sich an seine Gäste.
»Entschuldigt uns bitte, Freunde. Aber selbst an einem solchen traumhaften
Abend ruhen die Geschäfte nicht.«
Nachdem die schweren Eichenholztüren der Bibliothek geschlossen sind,
gießt Schloimo französischen Cognac in zwei Schwenker, bittet
Mannsbergkh-Souilly, in einem der Fauteuils Platz zu nehmen.
»Diesen Cognac sollst du ganz besonders genießen«, sagt Schloimo, »sehr
zum Wohl, mein Guter.«
Der Graf nippt, lässt den Cognac kurz in seinem Mund kreisen, bevor er
ihn schluckt. »Ja, wirklich von vortrefflicher Qualität. Aber lass uns doch
gleich zur Sache kommen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir bald
erhebliche Probleme am Hals haben werden.«
»Wieso diese trüben Gedanken?« Schloimo öffnet einen Humidor, der auf
einem Tischchen steht und nimmt eine Zigarre heraus. »Möchtest du eine Santa
Clara probieren? Angeblich die besten Zigarren Mexikos.« Mannsbergkh-Souilly
lehnt dankend ab, während Schloimo seine Zigarre rauchfertig schneidet.
»Derzeit sorgt eine Fotoserie im Internet für helle Aufregung«, zeigt der
Graf sich besorgt, »sie läuft auf YouTube mit einer ungeheuren Zugriffszahl und
auf einer neuen Seite namens FNews , die anscheinend erst heute erstmals
im Netz freigeschaltet worden ist.«
»Ja, ich weiß«, sagt Schloimo, dessen Gesicht hinter einer dichten
Rauchwolke nur schemenhaft zu erkennen ist. »Ich habe es auch bereits gesehen.
Ein Überlebender konnte dieses Mafiamassaker dokumentieren. Ich nehme an, mit
einem Handy, nach einer professionellen Kamera sieht es mir nicht aus.«
»Das ist mir egal« Mannsbergkh-Souilly wirkt hektisch. »Aber in dem Kommentar
war auch von Branko Daramci ć die Rede. Schließlich war er kein unbeschriebenes Blatt. Nun werden alle
aktiv, und das schwöre ich dir, nachdem seine Identität geklärt werden konnte,
wird wieder überall herumgestochert und geschnüffelt werden. In sämtlichen
Medien wird die gleiche Frage gestellt. Was hatte ein kroatischer Exgeneral mit
einem `Ndrangheta-Boss zu tun? USKOK, die kroatische Antikorruptionsbehörde,
und die SOA, der
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