Dunkle Schatten (German Edition)
Bundespolizeidirektion und Sprosse für Sprosse
die Leiter so weit wie möglich hochklettern.
»Wenn du das so siehst, Lena«, bemüht Joller sich um einen neutralen
Tonfall, »das deine Meinung über mich ist, kann ich es nicht ändern. Trotzdem
wirst du erklären müssen, und nicht nur mir, sondern vor allem dem BKA, weshalb
dein Lebensgefährte ausgerechnet zur gleichen Zeit wie Saller in der
Chirurgischen Abteilung war, in der gleichen Station, auf dem gleichen Flur.«
»Kennst du das SMZ Ost?«
»Klar.«
»Dann ist dir bekannt, wie groß dieser Komplex ist und dass sich darin
täglich tausende Leute tummeln.«
»Aber nicht in diesem heiklen Zusammenhang.«
»Sag mal, Clemens, willst du mir mit Gewalt etwas anhängen? Bringt dir
das etwas für deine weitere Karriere? Ist dir und dem BKA vielleicht auch in
den Sinn gekommen, dass Kokoschansky sich heute dort behandeln ließ?«
»Ist er krank?« Eine gewisse Süffisanz Jollers ist unüberhörbar.
»Nicht in dem Sinne, sondern nur ein Riesending von Furunkel in der
Gegend der Eier, wenn du es genau wissen willst.«
»Das überzeugt mich nicht«, bleibt Joller weiter misstrauisch. »Die
Ambulanzen sind im Erdgeschoss. Dort ist weit und breit keine Chirurgische
Abteilung.«
»Weiß ich, ob er nicht stationär aufgenommen wurde? Vielleicht war dieses
verdammte Abszess bereits zu groß, um es ambulant zu behandeln. Er hat mich
noch nicht angerufen und ich ihn auch nicht.« Entspricht zwar nicht ganz der
Wahrheit, und sollte es hart auf hart gehen, ihr Handy überprüft werden, dann
gab es zwar einen Anruf von ihr an Kokoschansky, und alles, was danach
passierte, lässt sich anhand der medizinischen Unterlagen überprüfen. »Woher
stammt eigentlich dieses Scheißphantombild?«
»Das wurde aufgrund einer Zeugenaussage angefertigt.«
»Toll! Und deshalb wird er gleich zu einem Fluchthelfer Sallers
abgestempelt?«
»Dein Kokoschansky ist kein x-beliebiger Journalist. Der Mann hat einen
Namen, und sein Naheverhältnis zu Saller ist bekannt.«
»Na und? Reicht das, um ihn sofort in den Kreis der Verdächtigen
aufzunehmen? Lass mich mit dem Scheiß in Ruhe, fragt ihn doch selbst! Warum
hakt ihr denn nicht bei unserer Justizministerin nach? Immerhin ist sie mit
einem Kriminalbeamten verheiratet.«
»Solltest du Kokoschansky einen Zund 9 gegeben haben,
Lena, werden dir Suspendierung, Disziplinarverfahren, vielleicht auch eine
Anklage wegen Amtsmissbrauch nicht erspart bleiben. Ich betone ausdrücklich,
wenn es so der Fall sein sollte. Und ich wäre von dir zutiefst menschlich
enttäuscht. Robert Saller ist kein unbedeutender, dahergelaufener Hühnerdieb …«
*
Das Abreißen eines Coladosenverschlusses weckt Kokoschansky. Verschlafen
dreht er sich auf der Couch um und blickt in Lenas Gesicht, in dem sich eine
Mischung aus Wut und Traurigkeit widerspiegelt. Sie gibt ihm nur einen
flüchtigen Kuss auf die Wange, um anschließend die Cola beinahe in einem Zug
auszutrinken.
»Servus, Schatz«, Kokoschansky rappelt sich hoch, »seit wann bist du denn
hier?«
»Während du hier pennst«, sie geht erst gar nicht näher auf seine Frage
ein, »ist draußen der Teufel los, und es gärt gewaltig im Untergrund. Man will
uns ans Leder.«
»Wer will was von uns? Was redest du da?«
Wortlos reicht Lena ihm die Abendausgabe der Kronen-Zeitung , und
ihm fallen beinahe die Augen aus dem Kopf.
UNTERWELTBOSS ROBERT SALLER AUS KRANKENHAUS ENTFLOHEN!
IST DIESER UNBEKANNTE MANN SEIN FLUCHTHELFER?
Unter der Schlagzeile dieses vermaledeite Phantombild, daneben ein
Polizeifoto Sallers. Selbstverständlich erkennt Kokoschansky sich. Kurz
geschorenes Haar, markante Geheimratsecken; die Gesichtszüge beinahe perfekt
getroffen und die randlose Brille. Darunter der Text, der mehr als eindeutig
ist: » Bei dem Unbekannten könnte es sich um den bekannten Journalisten Heinz
K. handeln, der ein Naheverhältnis zu dem ehemaligen Paten von Wien pflegt … «
»Scheißkerle!«, flucht Kokoschansky und pfeffert die Zeitung in eine
Ecke. »Da rotzen sich jetzt ein paar liebe Kollegen gründlich aus. Von mir aus.
Mich können diese Idioten kreuzweise. Und im Fernsehen werden sie mich wohl
auch bereits rauf- und runterspielen.«
»Davon kannst du ausgehen«, gibt Lena ihm recht, »und das BKA wird uns
wohl auch früher oder später seine Aufwartung machen.«
»Und? Mit wem ich verkehre, ist immer noch meine Sache. Auch in diesem
Land. Macht man dir Schwierigkeiten?«
»Joller
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