Dunkle Schatten (German Edition)
seit einigen Jahren in diesem Staat eine äußerst – na,
sagen wir – merkwürdige Justiz. Wenn ein Staatsanwalt, vielleicht auf Anordnung
von ganz oben, etwas drehen soll, bist du chancenlos. Du kennst die BBE-Leute 11 ,
du hast selbst schon mit ihnen Bekanntschaft gemacht, und sie können sehr
unangenehm werden. Und ich unterstehe dem österreichischen Beamtendienstrecht.
Ich kann sogar nach meiner Pensionierung belangt werden, sofern ich Mist baue.«
»Weiß ich doch alles!« Kokoschansky gibt sich damit nicht zufrieden. »Ich
finde es einfach nicht gut, jetzt aufzuhören, weil du ihnen doch nur in die
Hände spielst.«
»Es kocht doch schon länger in mir«, nimmt Lena neuerlich Anlauf, ihn zu
überzeugen. »Im Grunde hat der heutige Vorfall gar nichts damit zu tun. Der Job
wird von Tag zu Tag gefährlicher, die Gewaltbereitschaft der Kriminellen steigt
und steigt. Für viele ist die Uniform das absolute Feindbild, und dieses muss
mit allen Mitteln bekämpft und am besten vernichtet werden. Brauche ich dir
aber nicht wirklich zu erzählen. Vorige Woche sah ich ein Graffiti an einer
Hausmauer – Brenn Bulle Brenn! Das sagt doch einiges aus. Das Ansehen der
Polizei sinkt ständig und die Achtung gleich mit dazu. Vor ein paar Tagen sagte
mir so ein Rotzlöffel, vielleicht dreizehn, in Beisein eines Kollegen, während
wir auf Streife waren, dass er gerne mal eine geile Polizistin ficken würde,
bevor er davonrannte. Ein Trickdieb lachte mir bei der Einvernahme frech ins
Gesicht, sagte, dass er bald wieder draußen sein wird und dann käme er wieder,
um mir die Titten abzuschneiden. Ich könnte etliche Beispiele aufzählen. Das
ist der Alltag. So habe ich mir diesen – für mich – Traumberuf seinerzeit
wirklich nicht vorgestellt. Ich mag nicht mehr. Komm in die Küche, ich habe
einen Mordshunger.«
Kokoschansky setzt sich auf die Kante des Küchentisches und sieht Lena
zu, wie sie Spiegeleier und Würstchen brät.
»Es ist deine Entscheidung, mein Mädchen, ich kann dich verstehen. Ich
habe auch immer gesagt, mir würde jeden Tag tausendmal der Geduldsfaden reißen
bei dem, was ihr euch bieten lassen müsst. Doch was willst du danach machen?«
»Hm, wie wäre es mit weiblicher Nick Knatterton?« Sie lacht und hebt die
Eier aus der Pfanne.
»Detektivin?« Kokoschansky kann sich mit dieser Idee absolut nicht
anfreunden.
»Warum denn nicht? Was spricht dagegen?«
»Das ist doch nicht deins, öde Beziehungskisten zu observieren.
Stundenlang vor zwielichtigen Stundenhotels abzuhängen, um irgendwann irgendwen
in flagranti zu erwischen. Noch dazu lausig bezahlt und mit den Auftraggebern
um jeden Cent Spesen bei den Abrechnungen streiten müssen.«
»Na, mieser als die Polizei wird es wohl auch nicht bezahlt sein.«
»Ich bin skeptisch«, bleibt er bei seiner Meinung, »das Büro im Auto,
sich dabei mit Fastfood die Figur versauen und endlich nach ein paar Tagen auf
der Lauer ein paar Fotos schießen und Videos drehen, auf denen dann der
Ehebrecher mit seiner jungen Freundin oder eine frustrierte Ehefrau mit ihrem
neuen Lover zu sehen sind, wobei es gar nicht einmal sicher ist, dass der
Auftraggeber vor Gericht erfolgreich sein wird.«
»Das kann mir egal sein, mein Auftrag wurde erfüllt.«
Kokoschansky schiebt seinen Teller beiseite. »Ich kenne genug Kiberer,
die nach ihrer Pensionierung nicht aufhören können und glauben, ohne sie würde
die Kriminalität noch maßloser ausufern. Daher verdingen sie sich als
Privatschnüffler. Mit dem Resultat, dass ein paar lausige Aufträge nur sehr
spärlich tröpfeln und sie die meiste Zeit mit ihren ehemaligen Kollegen in
Lokalen herumhocken und in den alten Zeiten schwelgen.«
»So stelle ich mir das auch nicht vor, mein lieber Koko.« Lena zieht sich
einen Stuhl herbei und lagert ihre Beine hoch.
»Wie dann?«
»Hast du mir nicht einmal von einem sehr guten Bekannten, einem
ehemaligen Kriminalbeamten von der Wirtschaftskriminalität, erzählt, der sich
eine florierende Detektei aufbauen konnte und seine Arbeit nahtlos fortsetzt?
Allerdings zu weitaus besseren Bedingungen.«
»Ja, das ist wahr«, bestätigt Kokoschansky und fühlt sich gleichzeitig
ein bisschen überrumpelt, »einer der wenigen, die es tatsächlich geschafft
haben.«
»Und was hindert dich daran, bei passender Gelegenheit bei ihm für mich
ein gutes Wort einzulegen?«
»Was habe ich doch für eine kluge Frau an meiner Seite«, lächelt
Kokoschansky und massiert ihre Füße,
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