Dunkle Schatten (German Edition)
kann sich wieder einmal auf meine Kosten profilieren«, sagt Lena
und nimmt sich eine von Kokoschanskys Zigaretten.
»Das hätte ich mir denken können. Nach oben buckeln, nach unten treten.«
»Er hat mich in sein Büro zitiert und mir ziemlich offen unterstellt,
dass ich dich über Sallers Aufenthalt im Spital informiert habe, was
letztendlich auch stimmt.«
»Und du aber nicht zugegeben hast.«
»Ich bin doch nicht blöd! Im Regelfall wäre diese Informationsweitergabe
nicht einmal einen Furz wert, um sich darüber so offensichtlich aufzuregen.
Passiert doch täglich, dass Bullen Journalisten etwas stecken. Und einige
lassen sich diese Insiderinformationen auch dementsprechend honorieren.
Allerdings machen sie bei mir aus einer Mücke einen Elefanten, weil sie damit
gleich zwei Fliegen mit einer Klappe treffen können. Wenn die Geschichte
zwischen Saller und dir gehörig aufgebauscht wird, können sie dich für eine
ganze Weile ziemlich mundtot machen und auf das Abstellgleis schieben. Mich
können sie ebenso unterbuttern, weil ich längst einigen zu einem Stachel im
Fleisch geworden bin. Ich halte mich aus allem raus, versuche nur, meinen
Dienst bestmöglich zu verrichten. Ich bin in dem Sinne mit niemandem verhabert 10 ,
nehme nicht an privaten Treffen teil, gehe mit niemandem einen heben. Das passt
vielen nicht. Das widerspricht dem Korpsgeist.«
»Ich weiß, Schatz«, pflichtet Kokoschansky ihr bei, »trotzdem sollten wir
erst einmal abwarten und nicht sofort schwarzsehen.«
»Das sagst ausgerechnet du«, tadelt sie ihn, »du nimmst doch meist immer
das Schlimmste an.« Sie trinkt den letzten Rest Cola aus, quetscht die Dose
zusammen und stellt sich vor, ihrem Kommandanten den Hals umzudrehen.
»Entschuldige, ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie es dir im Krankenhaus
ergangen ist.«
»Das ist schon in Ordnung.« Kokoschansky nimmt sie an der Hand.
»Aufgeschnitten, die Soße raus, Salbe und Pflaster drauf. Alles wieder okay,
und er hängt noch dran.«
»Dann bin ich beruhigt«, lächelt Lena zum ersten Mal, seitdem sie zu
Hause ist, um im gleichen Augenblick wieder nachdenklich zu werden. »Hast du
eine Ahnung, wie dieses Phantombild zustande gekommen ist?«
»Na ja«, Kokoschansky zupft an seinem T-Shirt herum, »entweder haben mich
die Krankenschwestern so erstklassig beschrieben, oder es war diese alte Frau.
Ich tippe eher auf die Alte, die Schwestern waren zu sehr beschäftigt.«
»Alte Frau?«
»Ja, da war eine Patientin auf dem Flur, und der habe ich, nachdem Saller
mit seinen Leuten an mir vorüber war, einen Blumenstrauß geschenkt, bevor ich
mich dünnemachte, um euch nicht in die Arme zu laufen.«
»Moment mal, Klartext.«
»Nachdem ich verarztet worden war, machte ich mich auf die Socken, um
Saller zu finden. Dafür kaufte ich rasch ein paar Blumen, um mich als Besucher
zu tarnen.«
»Aha, jetzt habe ich es kapiert. Sehr raffiniert.«
»Ich mache meinen Job ja auch nicht erst seit gestern.«
»Hör zu, Koko«, Lena streicht sich durch ihr volles, geschmeidiges Haar,
»ich bin schon ein Weilchen hier gesessen, während du geschlafen hast, und habe
nachgedacht. Mein Entschluss steht fest. Ich steige aus.«
»Wie, du steigst aus?«
Manchmal wird Lena das Gefühl nicht los, ob Kokoschansky nur
geistesabwesend ist oder doch sein Alter bereits erste Spuren hinterlässt. Doch
sie wird sich hüten, sich den Mund zu verbrennen. Nach ein paar Augenblicken
Schweigen und einigen Zügen an einer neu angezündeten Zigarette spricht sie
weiter, während Kokoschansky gebannt an ihren Lippen hängt.
»Ich kündige. Ich hänge die Uniform an den Nagel. Mir reicht es. Ich will
nicht mehr. Jollers Scheißauftritt war nur mehr das Tüpfelchen auf dem i.«
Kokoschansky ist kurz sprachlos. »Ist das dein voller Ernst? Wenn du
jetzt alles hinwirfst, ist es doch nur Wasser auf die Mühlen deiner Gegner.
Darauf warten sie doch nur!«
»Es macht keinen Unterschied mehr, ob ich noch länger bleibe oder gleich
gehe. Sie suchen schon seit geraumer Zeit nach Läusen, und heute haben sie
endlich eine gefunden. Sie werden mich ziemlich genau durchleuchten und durch
die Mangel drehen.«
»Das ist doch Schwachsinn!«, ereifert sich Kokoschansky. »Die können es
drehen und wenden, wie sie wollen, und nichts wird dabei herauskommen. Das hält
doch vor keinem Staatsanwalt, sollte es jemals so weit kommen.«
»Dabei übersiehst du drei Dinge, mein Schatz«, belehrt Lena ihn. »Wie wir
beide wissen, haben wir
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