Dunkle Schatten (German Edition)
ungerührt.
Sein Kollege hält sich dezent im Hintergrund, lässt aber dafür umso emsiger
seine Augen herumschweifen. »Ich behaupte aber, Sie wussten, dass Saller sich
dort aufhält und sind schnurstracks dorthin gefahren. Schließlich sind Sie
Journalist.«
»Wissen Sie was …«
Lena möchte ihn stoppen, hat aber keine Möglichkeit. Sie weiß nur zu gut,
wie Kokoschansky aufbrausend werden kann, und befürchtet, dass er den
BKA-Leuten das Götz-Zitat ins Gesicht schleudern wird.
»Wissen Sie was«, wiederholt Kokoschansky und zieht seine Hosen herunter
»glauben Sie wirklich, ich trage diesen Scheißverband aus Spaß mit mir herum?
Darunter war ein höllisch schmerzendes Abszess, das ich mir aufschneiden ließ.
Wollen Sie die Wunde auch sehen? Soll ich den Verband lösen? Zufrieden?«
Betreten blicken die Beamten zu Boden, während Kokoschansky wütend die
Hände in die Hüften stemmt und Lena sich das Lachen nur mühsam verkneifen kann.
»Bitte, Herr Kokoschansky«, sagt Lackner, den Blick noch immer nach unten
gerichtet, »ziehen Sie sich wieder an. Aber …«
»… aber was?«, knurrt der Journalist, zieht seine Hosen wieder hoch und
bemüht sich gar nicht, seine Wut zu unterdrücken. Diese Eierköpfe sollen nur
merken, wie sehr er kocht.
»Sie müssen doch zugeben«, mischt Erharter sich nun erstmalig ins
Gespräch, »Saller liegt im Krankenhaus und simuliert. Plötzlich tauchen Sie
auf, und er haut ab. Würden Sie da nicht auch ins Grübeln kommen und einen
Zusammenhang vermuten? Schließlich sind Sie und Saller sich nicht fremd.«
»Worüber Sie sich die Köpfe zerbrechen und Vermutungen anstellen, geht
mir, ehrlich gesagt, ziemlich am Arsch vorbei.«
»Wir haben uns im SMZ Ost erkundigt«, bohrt nun wieder Lackner weiter.
»Ambulante Eingriffe finden stets, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in den
Ambulanzen im Erdgeschoss statt, und Sie waren keine Ausnahme, Herr
Kokoschansky. Warum hielten Sie sich ausgerechnet in der Chirurgischen
Abteilung auf, wo auch Saller war?«
»Gut, ertappt. Ich gebe es zu, meine Herren, und es ist mir äußerst
peinlich.« Kokoschansky macht eine Kunstpause, um danach umso feister zu
grinsen. »Ich bin ein wenig pervers, ich stehe auf Krankenhausluft. Ich bin
süchtig danach. Ich weiß auch nicht, warum, doch ich kann nie genug davon
bekommen. Wann immer ich ein Spital sehe, muss ich rein, egal, ob ich selbst
etwas brauche oder nur zufällig in der Nähe bin. Dann stehe ich unter einem
inneren Zwang, muss unbedingt durch sämtliche Abteilungen gehen und immer nur
tief einatmen.«
»Und dafür brauchen Sie Blumen?« Weder Lackner noch Erharter lassen sich
anmerken, dass sie Kokoschansky am liebsten auf der Stelle festnehmen möchten.
Leider gibt es kein Gesetz gegen Verarschung.
»Ich muss mich doch tarnen!« Kokoschansky zieht weiter seine Nummer
durch. »Das brauche ich Ihnen wohl nicht zu erzählen, wie raffiniert Süchtige
sein können. Mit einem Strauß in der Hand falle ich nicht auf und gehe als
Besucher durch, wenn ich mir meine Dosis hole. Das leuchtet doch ein, oder?«
»Und dann schenken Sie die Blumen einer alten Frau«, bleibt Lackner
weiterhin ruhig.
»Entschuldigung«, bittet nun sein Kollege Kokoschansky, »dürfte ich kurz
Ihre Toilette benutzen? Leider habe ich eine leichte Magenverstimmung. Dieser
verdammte Kantinenfraß.«
»Klar doch. Links im Flur. Das Licht ist außen«, weist Lena ihn ein, und
Erharter bedankt sich artig, bevor er verschwindet.
»Dann hat mich also die Oma erkannt«, bleibt Kokoschansky weiterhin
hartnäckig. »Kompliment! Fantastisches Gedächtnis.«
»Genug des Geplänkels«, bestimmt Lackner. »Sie haben Ihren Spaß gehabt,
Herr Kokoschansky, und nun beginnt unserer. Wir können ganz anders, wenn wir
wollen. Das wissen Sie genau.«
»Eine Drohung? Soll ich mich nun zu fürchten beginnen?« Kokoschansky
lässt sich keine Sekunde einschüchtern. »Wenn Sie uns noch länger blöd kommen,
hänge ich Ihnen eine Dienstaufsichtsbeschwerde an, die Sie sich garantiert
nicht hinter den Spiegel stecken. Ein Anruf von mir, beispielsweise bei der
Kronen-Zeitung oder bei einem unserer Fernsehsender, und morgen habt ihr beide
eure Ärsche offen bis zu den Halswirbeln.«
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können.« Auch Lackner ist ein ebenso
harter Knochen wie der Journalist. Inzwischen ist Erharter wieder ins Wohnzimmer
zurückgekehrt. »Wer hat Ihnen den entscheidenden Tipp gegeben?«
»Und wenn es so gewesen wäre, geht es Sie
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