Dunkle Schatten (German Edition)
Anflug einer politischen
Verstrickung abzeichnet. Kurzum, der Filz aus politischen, wirtschaftlichen und
kriminellen Aktivitäten ist inzwischen undurchdringlich geworden, ein gewaltiger
gordischer Knoten, den niemand angreifen will.
Stehen die Staatsanwälte bereits auf verlorenem Posten und kämpfen gegen
Windmühlen, hat es die Polizei umso schwerer. Sie, die schließlich die
Staatsanwaltschaften durch ihre Ermittlungen, Erhebungen und Untersuchungen als
weiterführende Instanz füttert, wird oft genug bereits im Ermittlungsstadium
von höheren Stellen gebremst und behindert.
Wer es sich zu richten versteht, fährt mit einer Riege von Topanwälten
auf, die mit allen Wassern gewaschen sind. Dann kann es schon passieren, dass
brisante Akten unauffindbar sind, verschwinden oder Verfahren so lange
verschleppt werden, bis sie der Verjährung zum Opfer gefallen sind. Und
natürlich sind gewisse Probleme noch viel einfacher nach altbewährter Methode zu
lösen, indem diskret ein fettes Kuvert unter einem Tisch im Nobelrestaurant
zugeschoben wird, ein Schuldenberg sich plötzlich in ein ansehnliches Plus
verwandelt oder lang gehegte Wünsche wahr werden.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, einen Schlussstrich unter einen
Lebensabschnitt zu ziehen und einen neuen zu eröffnen. Lena sieht aus dem
Fenster auf die Straße hinunter. Die meisten Journalisten sind abgezogen. Übrig
geblieben sind ein RTL-TV-Team und drei Fotografen, die es anscheinend
unbedingt wissen wollen. Ein Blick durch den Türspion verrät ihr, dass es auch
im Treppenhaus wieder ruhig geworden ist. Sie beschließt, noch eine Zigarette
zu rauchen, bevor sie sich telefonisch im Landespolizeikommando melden wird.
Tatsache bleibt, unabhängig ob nun diese gefährliche Angelegenheit für
Kokoschansky positiv oder negativ endet, damit hat er sich zwei neue Todfeinde
geschaffen. Egal, wie Kollegen zu Lackner und Erharter stehen, es wird bestimmt
genug von ihnen geben, die diesen beiden, sollte Kokoschansky recht behalten,
diese Niederlage von Herzen gönnen. Trotzdem wird der Korpsgeist wieder
gewinnen. Verfehlungen schwarzer Schafe in den eigenen Reihen werden intern
geregelt und nicht öffentlich gemacht.
Die Türklingel schreckt sie aus ihren trüben Überlegungen hoch.
»Koko ist das nicht«, führt sie Selbstgespräche, »er würde vorher
anrufen. Wer immer da jetzt draußen steht, na warte …«
Lena geht in den Flur, sieht nach, und ein Lächeln erhellt ihr Gesicht.
Wenn der Hut brennt, ist es immer gut, auf Menschen bauen zu können, die einen
nicht im Stich lassen. Hastig öffnet Lena die Türe.
»Mein Gott«, lacht Lena und zieht den Mann in den Fünfzigern rasch am
Jackenärmel in die Wohnung, »mit dir habe ich nicht gerechnet! Umso besser,
dass du hier bist.«
»Wieder einmal mehr sorgt unser Koko für erheblichen Wirbel«, grinst der
unrasierte Mann und küsst Lena auf beide Wangen, »anscheinend zählt ihr jetzt
zu den Promis? Oder sehe ich das falsch, was ich bisher erfahren konnte?«
»Komm erst mal rein, setz dich, und ich mache uns Kaffee. Wie geht es
dir, Thomas?«
»Wie es eben einem Frühpensionisten so geht«, zuckt der ehemalige
Chefinspektor Thomas Petranko die Achseln, »ziemlich langweilig. Zum
Briefmarkensammeln und Orchideenzüchten bin ich nicht geboren.« Er folgt Lena
in die Küche.
Petranko zählte zu den herausragenden Kriminalbeamten in dieser Stadt.
Viele Jahre arbeiteten er und Kokoschansky, nachdem sie sich zusammengerauft
hatten, eng zusammen, konnten manchen Fall lösen, und der Journalist kam zu
seiner Exklusivstory. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine intensive
Freundschaft, obwohl es immer wieder Phasen gibt, in denen sie sich eine Zeit
lang weder sehen noch hören. Bei ihrem letzten gemeinsamen Fall wurde Petranko
durch den Messerstich eines albanischen Mafioso schwer verletzt. Nachdem er
bereits mehr drüben als herüben war, entschloss er sich, den Dienst zu
quittieren und sich in den Ruhestand zu begeben. Er will lieber im Bett sterben
als auf der Straße verbluten.
»Du hast es sicher im Radio gehört oder im Fernsehen gesehen«, sagt Lena
und stellt zwei Tassen auf den Tisch, »komm, setz dich.«
»Deswegen bin ich hier. Lässt sich auch schwer ignorieren, und meine
Auguren sind immer noch aktiv«, antwortet Petranko und lässt sich in einen
Stuhl fallen, »eines muss man deinem Koko lassen. Mut hat er. Im Grunde ein
genialer Schachzug.«
»Hm«, seufzt Lena und schenkt Kaffee ein, »dazu will ich
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